Jaguar Mezcal Boutique Interview
Interview

Vielfalt und Authentizität von Mezcal: Amanda Aranda Novoa über die Jaguar Mezcal Boutique

„Wir bilden die Brücke zu einem der größten und verborgensten Kulturschätze Mexikos: Mezcal.“ Das sagt Amanda Aranda Novoa. Die gebürtige Mexikanerin hat gemeinsam mit ihrem Partner Thomas Mager im Sommer 2022 die Jaguar Mezcal Boutique gegründet. Mit diesem interkulturellen Projekt verfolgen die beiden das Ziel, die Schönheit und Vielfalt von Mezcal sowie die Handwerkskunst und Natur dahinter ins Herz Europas zu bringen. Im Portfolio befinden sich reine Craft-Produkte und damit Mezcals, die „artisanal“ oder „ancestral“ hergestellt werden. Zudem kennt Amanda Aranda Novoa alle Herstellerfamilien der Mezcals persönlich und ist stets darum bemüht, Mezcals unterschiedlichster Agaven, Herstellungsweisen und Regionen Mexikos anzubieten.

Wir haben mit der Gründerin im Interview gesprochen – unter anderem über die Jaguar Mezcal Boutique, die Auswahl der Produkte sowie die Entwicklung von Mezcal in Deutschland.

Warum hast Du Dich auf den Vertrieb und die Verbreitung von Agavenspirituosen in Deutschland spezialisiert?

Amanda Aranda Novoa: Als ich vor einigen Jahren mit meinem Mann nach Deutschland gezogen bin und dort mein MBA-Studium begonnen habe, ist mir aufgefallen, dass es in Deutschland keine gut entwickelte Kultur um Agavenspirituosen gibt. Im Gegenteil, das Image ist durch hochindustrialisierte und billige Produkte stark belastet. Vor allem bei Tequila wird dies deutlich. Ich finde das schade, denn es spiegelt keineswegs die tiefgründige und wundervolle Welt der Agavenspirituosen wider. Als stolze Mexikanerin möchte ich daran etwas ändern. Ich bin fest überzeugt, dass das möglich ist, weil auch andere Märkte, beispielsweise die USA oder Australien, es bereits bewiesen haben.

Ich habe also die Jaguar Mezcal Boutique (JMB) gegründet und damit eine Plattform geschaffen, welche kostbarste Agavenspirituosen nicht nur verbreitet, sondern auch Interessierte über die Geschichte, Herkunft und Vielfalt bildet. JMB bietet heute nicht nur einige der besten Tropfen Mexikos, sondern legt auch Wert darauf, die wundervolle Vielfalt von Agavenspirituosen – insbesondere Mezcal – zu vermitteln. Im Angebot findet man deshalb Mezcals verschiedener Agaven, unterschiedlicher traditioneller Herstellungsweisen und vieler Regionen Mexikos. Ein wichtiger Beitrag, um Agavenspirituosen dort hinzubringen, wo sie hingehören: unter die edelsten und komplexesten Spirituosen der Welt.

Erzähle mehr über das Konzept der Jaguar Mezcal Boutique: Welche Werte und Ziele stehen im Mittelpunkt?

Amanda Aranda Novoa: JMB ist ein interkulturelles Projekt, das das Ziel verfolgt, den Menschen in Deutschland Zugang zu einem der faszinierendsten und komplexesten Spirituosen der Welt zu verschaffen: Mezcal. Wir „vertreiben“ dabei nicht einfach einzelne Produkte oder Marken. Wir wollen die außergewöhnliche Vielfalt und Tradition von Mezcal vermitteln.  Konsequenterweise findet man daher in unserem Portfolio auch Mezcals sämtlicher Agaven, Regionen und von Familienbetrieben, die besonderen Wert auf Tradition legen. Nur authentische, qualitativ hochwertige und traditionell hergestellte Produkte, die auch jeden mexikanischen Mezcal-Lover begeistern würden, schaffen es am Ende in unser Angebot.

Uns ist auch wichtig, dass die Mezcal-Produktion nachhaltig ist. Das bedingt konkret, dass das Ernten von Agaven einerseits und deren Neubepflanzung andererseits mit gleicher Intensität verfolgt werden – viele Hersteller vernachlässigen das. Schließlich verstehen wir unter „Vielfalt“ auch den Selbstauftrag, Minderheiten eine Stimme zu geben: Zum einen, indem wir Mezcals nicht nur von der Region „Oaxáca“ anbieten, sondern eben von vielen Landesteilen Mexikos. Zum anderen, indem etwa die Hälfte unserer Hersteller Frauen als Geschäftsführerin oder als Master-Distillerin haben.

Die Vielfalt im Portfolio ist also sehr groß. Worauf legst Du bei der Auswahl der Spirituosen besonderen Wert?

Amanda Aranda Novoa: Mir war von Anfang an wichtig, dass das Angebot von JMB für die Vielfalt und Authentizität von Mezcal steht. Ich habe also früh und klar fünf Punkte festgelegt, die mit Mezcal von JMB erlebbar sein sollen:

  1. Vielfalt – Ich möchte die volle farbenfrohe Vielfalt von Mezcal nach Deutschland bringen. Daher bin ich stets darum bemüht, Mezcals unterschiedlichster Agaven, Herstellungsweisen und Regionen Mexikos anzubieten.
  2. Qualität – Nur Mezcals, die den höchsten Ansprüchen genügen, werden aufgenommen.
  3. Tradition – In der Herkunftsbestimmung wird in drei Herstellungsverfahren klassifiziert: „industrial“ (industriell), „artisanal“ (handwerklich), „ancestral“ (nach Art der Ahnen). JMB bietet reine Craft-Produkte an und damit Mezcals, die „handwerklich“ oder „nach Art der Ahnen“ hergestellt werden. Das ist meines Erachtens nach auch ein wesentlicher Faktor in der Nachhaltigkeit von Mezcal.
  4. Geschichte – Ich kenne die Familien, die JMB anbietet, alle persönlich. Sie brennen Mezcal oft seit vielen Generationen. Die Authentizität der Hersteller und die persönliche Verbindung sind mir wichtig.
  5. Exklusivität – Die meisten, vor allem kleine und authentische Mezcal-Produzenten, exportieren ihren Mezcal bisher nicht. Der Export ist bürokratisch, an viele Auflagen geknüpft und kostet viel Geld. Als Zeichen echter Partnerschaft ist es mir wichtig, den Familien dabei zu helfen und meine Erfahrung zu teilen. Fast alle Mezcals in unserem Angebot sind nirgendwo sonst auf der Welt außerhalb Mexikos erhältlich. Es gibt sie nur bei uns. So profitieren am Ende auch beide Seiten: die Mezcaleros über neue Märkte außerhalb des Landes und die Jaguar Mezcal Boutique über exklusive Produkte.

Du positionierst Agavenspirituosen, insbesondere Mezcal, als Premiumprodukt. Warum ist dies für Dich von besonderer Bedeutung?

Amanda Aranda Novoa: Als Mexikanerin verstehe ich unter Agavenspirituosen echte Kulturartefakte, die eine faszinierende Geschichte und herausragendes Handwerk verkörpern. Allein schon aus der Motivation heraus, dieses Kulturgut zu würdigen und zu bewahren, macht für mich eine Positionierung als Premiumprodukt zwingend notwendig.

Zudem muss man verstehen, dass jede Flasche Mezcal neben Jahrhunderte alter Tradition eine besondere Erfahrung dutzender Jahre Natur und viel harter Arbeit steckt. Agaven haben nur einen Lebenszyklus und brauchen teilweise 30 Jahre und mehr bis sie reif zur Mezcal-Produktion sind. Viele Agaven lassen sich nicht kultivieren, sie wachsen in der Wildnis, oft an schwer zugänglichen Berghängen. Die Agavenherzen sind dutzende Kilogramm, ja manchmal sogar Zentner schwer und werden in unwegsamem Land und brennender Hitze per Hand geerntet. Die Produktion im Stil „artisanal“ (handwerklich) oder „ancestral“ (nach Art der Ahnen) ist kompliziertes Handwerk und erfolgt nach jahrhundertealter Tradition. Oft werden weniger als 100 Liter in einem Brennvorgang hergestellt. All das macht Mezcal zu einem echten Craft-Produkt, das einzigartig schmeckt und folgerichtig für Premium steht und seinen Preis hat.

Wir bringen einerseits Interessierten dieses Hintergrundwissen in Master-Classes um Mezcal näher. Nicht selten sind die Kursteilnehme überrascht, wenn ich ihnen Bilder der Agave „Salmiana“ zeige, die größer als 2 Meter wird, oder ihnen von der Agave „Coyote“ erzähle, die oft mehr als 30 Jahre zur Reife braucht. Am Ende schafft es aber viel Verständnis dafür, warum Mezcal ein aüßerst besonderer und vergleichsweise hochpreisiger Spirituose ist. Schließlich erhöht es auch fundamental das Geschmackserlebnis. Andererseits arbeiten wir kontinuierlich daran, unser Netzwerk um „cultural intermediaries“ wie beispielsweise Bartender zu erweitern. Sie nehmen großen Einfluss auf die Wahrnehmung  bei den Konsumenten und sind Treiber des Images des Produkts.

Inwiefern hast Du Dir bewährte Praktiken aus anderen Branchen wie Wein und Kaffee zunutze gemacht, um Dein Konzept für Mezcal zu gestalten?

Amanda Aranda Novoa: Wein und Kaffee faszinieren die Welt durch die Geschmacksvielfalt, die beide anzubieten haben. Kein Wein oder Kaffee schmeckt wie der andere. Bei Mezcal ist das nicht anders. Die Geschmackskombination, die aus Agave, Region und Herstellungsverfahren entsteht, ist immer einzigartig und extrem komplex. Mezcal ist eine Explosion vielfältigster Aromen in Nase und Mund.

Die Wein- und Kaffeeindustrie haben natürlich sehr fortgeschrittene Ansätze, ihre Vielfalt zu vermarkten. Daher dienen sie uns durchaus als Inspiration. Ich bin überzeugt davon, dass die Emotionalisierung von Terroir, Pflanze und Herstellungsverfahren auch sehr wichtig in unserem Branding von Mezcal sind.

Du bist eine der wenigen mexikanischen Frauen in Europa, die für Agavenspirituosen werben. Wie hat diese einzigartige Perspektive Deinen Ansatz beeinflusst?

Amanda Aranda Novoa: Ich bin davon überzeugt, dass ich gerade als Frau einen sehr tiefgehenden Ansatz habe, die Bedürfnisse von Hersteller einerseits und Kunden andererseits bestmöglich zu bedienen. Die langfristigen und tiefgreifenden Beziehungen, die ich zu unseren Mezcal-Produzenten pflege, sind ein gutes Beispiel dafür.

Als Mexikanerin ist es mir auch sehr wichtig, Mexiko und seine Regionen, insbesondere meine Heimat „Michoácan“ und seine außergewöhnlichen Mezcals, für unsere Kunden attraktiv zu machen. Dabei lege ich Wert darauf, das Produkt auf authentische Art und Weise erlebbar zu machen. So wie das eben auch in Mexiko geschieht – beispielsweise im passenden Glas und immer ohne Eis. Zudem versuche ich die Produkte auch in den historischen, kulturellen und kulinarischen Kontext Mexikos zu bringen. Ihr seht, ich bin also auch emotional sehr stark in die Sache involviert und gehe einige Extrameilen. Für mich ist Mezcal mehr als einfach ein „alkoholisches Getränk“.

Mezcal hat in den letzten Jahren bereits an Popularität gewonnen. Wie siehst Du die Entwicklung dieses Marktes in Deutschland?

Amanda Aranda Novoa: Als Mexikanerin und Mezcal-Lover begeistert mich dieser Trend natürlich sehr. Mexikanische Kultur und authentische Kulturgüter, wie Mezcal, bekommen zunehmend die Beachtung der Konsumenten. Bars und Restaurants nehmen zunehmend Mezcal in ihr Angebot auf und die Qualität der Spirituosen steigt. Ich finde diesen Trend von „authentisch“ und „hochwertig“ sehr wichtig.

Es ist Zeit, mit billigen Klischees um „Shot-Kultur“, „Sombrero auf“ oder „Wurm in der Flasche“ aufzuräumen. Nur so wird Mezcal am Ende auch sein Image als echtes Premiumprodukt festigen können und sich nachhaltig in Deutschland etablieren. Unser Produktangebot und Wissensaufbau um Mezcal spiegelt diese Haltung eins zu eins wider.

Wie sorgst Du dafür, dass diese Authentizität und Tradition im Vertrieb der Produkte bewahrt bleiben?

Amanda Aranda Novoa: Man kann Mezcal auf unterschiedliche Art und Weise vertreiben. Der gängigste Ansatz, den ich im Alltag erlebe, Re-Branding an einem bestehenden Produkt vorzunehmen: Man tauscht einfach den originalen Hersteller gegen ein neu erstelltes Label aus, das besonders ansprechend für die Zielgruppe ist. Im Anschluss kippt man dann diesen Mezcal, der meist im Kern ein vergleichsweise niedrigpreisiges Massenprodukt ist, in den Katalog großer Distributoren. Ich finde diesen Ansatz unpassend. Er ist weder authentisch noch nachhaltig.

Unser Ansatz ist daher anders. Wir vermarkten die originalen Hersteller selbst, ohne Zwischenhändler. Wir nehmen keinen Einfluss darauf, wie diese ihr Produkt ausgestalten. Wir kennen und schätzen jeden Mezcalero persönlich und haben ein aufrichtiges Interesse an der Tradition, die er oder sie erlernt hat, und an deren einzigartigem Produkt. Für unsere Kunden stehen wir damit am Ende für Authentizität und hochwertige Produkte. Diese Produkte können z.B. direkt in unserem Onlineshop gekauft werden.

Was sind die größten Herausforderungen und die größten Erfolge in Deiner Mission, Mezcal in Deutschland populärer zu machen?

Amanda Aranda Novoa: Die größte Herausforderung ist sicherlich das schlechte Erbe und Image um Tequila, das sich leider ansteckend auf alle Agavenspirituosen auswirkt. Das zu ändern, ist eine echte Mammut-Aufgabe und erfordert ein ganzes Netzwerk von Akteuren – Bartenders, Sommeliers, Journalisten, Influencers, Chefköche usw. –, die gemeinsam positive Stimmung dazu machen.

Zudem sind Agavenspirituosen „Lifestyle-Produkte“: sie hängen vom Drang der Leute ab, sie genießen zu wollen. Diesen Drang zu erzeugen, stellt eine große Herausforderung in Deutschland dar, weil sowohl im B2B-Markt durch stark etablierte Distributoren als auch im B2C-Markt durch sehr preissensible und markenloyale Kunden hohe Hürden bestehen, „Raum für Neues“ zu bekommen.

JMB ist noch ein vergleichsweise kleines und junges Unternehmen. Wir freuen uns sehr darüber, dass immer mehr Restaurants, Bars und Privatleute auf unsere Marken vertrauen. Große Umsätze sind das allerdings noch nicht. Ich ziehe ohnehin die größte Genugtuung daraus, in Master-Classes Mezcal-Interessierte zu begeistern. Deutsche schätzen Natur, echte Handarbeit und Tradition sehr. Mezcal hat davon eine ganze Menge zu bieten. Am Ende ist jede Flasche ein Kunstwerk für sich.

Jaguar Mezcal Boutique | Website | Instagram | LinkedIn

+++ Wir bedanken uns bei Amanda Aranda Novoa für das offene und sehr interessante Interview! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++

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