Interview

Thorsten Husmann und Peter Jauch: „Wo beginnt Luxus und was bedeutet er im Spirituosen-Segment?“

Seit 2021 schreibt Peter Jauch als Gastautor regelmäßig für about-drinks. In seiner neuen Interview-Reihe blickt der Buchautor von „GIN – Das Buch“ und Gründer von „about GIN TONIC“ und „about SPIRITS“ auf das Segment der Luxus-Spirituosen und stellt eine wichtige Frage: Wo beginnt eigentlich Luxus?

„Wo beginnt Luxus und was bedeutet er im Spirituosen-Segment?“ Mit so einer Frage einen Artikel zu starten – großartig, oder?! 😊 Und doch ist es eine sehr spannende Frage. In der Spirituosen-Branche ist die Definition von „Luxus“ in den letzten Jahren Preispunkt-technisch gesunken. In meiner neuen Interview-Reihe geht es um genau dieses Thema.

Psychologisch macht dies durchaus Sinn, denn wenn der Konsument bewusster genießt, dann gönnt er sich wahrscheinlich eher etwas aus der Luxus-Kategorie. Aber ehrlich – ab 50 Euro, das macht doch wenig Sinn. Natürlich entscheidet der Kunde selbst, was für ihn Luxus ist, aber muss Luxus für jeden erreichbar sein? Oder anders ausgedrückt: Ein Großteil der Gin-Produkte aus den letzten Jahren wäre nach dieser Definition Luxus – und das für die einfachste zu produzierende Spirituose. Für mich ist eine Flasche über 1.000 Euro Luxus – und nein, ich kann es mir nicht leisten.

Peter Jauch (© Anja Prestel)

Aber wer bin ich, dass ich mir das herausnehme, um den Begriff „Luxus“ und damit eine Branche einzuordnen?! Ich lasse andere entscheiden und habe mich aus diesem Grund für eine kleine Serie zu diesem Thema entschieden. Insgesamt werden es zwölf Interviews mit unterschiedlichsten Protagonisten sein. Dabei packe ich unterschiedlichste Facetten dieser wunderbaren Industrie mit ins Gesamtbild.

Das Projekt ist Anfang 2024 zusammen mit Liquid Consultant Thorsten Husmann entstanden. Bei unseren Gesprächen ging es darum, dass wir ein umfassendes Bild der Branche bekommen.

Zuerst spreche ich mit Thorsten Husmann selbst über das Thema und seine Definition von Luxus.

Peter Jauch: Thorsten, was macht für dich eine Luxus-Spirituose aus?

Thorsten Husmann: Für mich ist eine Luxus-Spirituose etwas Situatives, das ich in meinem Alltag nicht benötige, aber das mir ein emotionales Gefühl vermittelt, etwas Besonderes zu genießen. Wenn ich zum Beispiel Lust auf ein Bier habe, könnte ich das günstigste Bier trinken, oder ich gönne mir ein besonderes Bier, um den Moment hervorzuheben. Das allein kann schon Luxus sein. Luxus kann auf jeder Stufe der Bedürfnishierarchie stattfinden – sei es bei der Nahrungsaufnahme oder bei etwas, das man eigentlich nicht wirklich „braucht“. Genau das macht Luxus so spannend und vielseitig.

 Peter Jauch: Wenn wir das auf Spirituosen ummünzen – ab wann beginnt Luxus? Klar, eine Flasche für 25 Euro kann schon gut sein, aber meistens mixt man damit Cocktails, anstatt sie pur zu trinken. Je länger eine Spirituose reift, desto komplexer sind logischerweise die Aromen.

Thorsten Husmann: Das stimmt. In der Spirituosenwelt kann man sich jederzeit entscheiden: Will ich etwas Standardmäßiges oder etwas mit besonderen Eigenschaften, wie beispielsweise Nachhaltigkeit? Das beeinflusst zwar nicht immer direkt den Geschmack, aber es kann der Spirituose eine Exklusivität verleihen, die sie zu einem Luxusprodukt macht. Bio-Zertifikate, CO2-Neutralität oder ein ganzheitliches Konzept können eine Spirituose besonders machen – und diese Merkmale sind oft für den normalen Konsumenten nicht mehr erschwinglich.

Thorsten Husmann

Peter Jauch: Nachhaltigkeit und Luxus-Spirituosen passen für mich überhaupt nicht zusammen. Für mich beginnt Luxus bei Spirituosen ab 1.000 Euro pro Flasche. Da interessiert es den Konsumenten oft nicht, ob das Produkt nachhaltig ist – die meisten dieser Spirituosen sind 20 bis 30 Jahre alt, und zu der Zeit war Nachhaltigkeit kein Thema.

Thorsten Husmann: Da hast du recht. Doch für mich gibt es verschiedene Arten von Luxus. Es gibt den traditionellen Luxus, der stark mit Handwerkskunst verbunden ist, und dann gibt es den modernen Luxus, wie zum Beispiel Tesla vor den staatlichen Subventionen. Zudem gibt es den Ultra-Luxus, der maßgeschneidert ist und nur für eine sehr kleine Gruppe von Menschen zugänglich ist. Aber es gibt auch zugänglichen Luxus, den man sich leisten kann, obwohl er trotzdem exklusiv ist.

Peter Jauch: Natürlich kann Luxus auch ein Moment sein, den man bewusst genießt – sei es mit Freunden oder in einer besonderen Situation. Wenn ich jedoch eine Flasche verkoste, die 50.000 Euro kostet, werde ich sie mir nie kaufen, selbst wenn ich das Geld hätte. Es geht dann weniger um den Genuss, sondern mehr um das Prestige.

„Es ist lustig, dass manche aus der Industrie behaupten, Luxusspirituosen beginnen bei 30 Euro. Das ist einfach Unsinn.“ – Thorsten Husmann

Thorsten Husmann: Genau! Der Preis spielt eine große Rolle, wenn es um Luxus geht. Es ist lustig, dass manche aus der Industrie behaupten, Luxusspirituosen beginnen bei 30 Euro. Das ist einfach Unsinn. Die Argumentation dahinter ist, dass der Konsument heute weniger trinkt, aber bewusster trinkt. Dennoch, eine Spirituose für 30 Euro als Luxus zu bezeichnen, das ist irreführend.

Peter Jauch: Absolut! Wenn man schon von Luxus spricht, dann fängt dieser meiner Meinung nach eher bei 250 Euro an. Alles darunter ist für mich noch kein wirklicher Luxus, auch wenn es exklusiv sein mag.

Thorsten Husmann: Genau, es geht um das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Seltenheit des Produkts. Wenn man eine Spirituose für 250 Euro kauft, dann spricht man schon von einem Luxus-Investment. Es gibt Unterschiede, die man als „normaler“ Konsument vielleicht nicht sofort wahrnimmt, aber der Wert liegt oft im immateriellen Luxus – sei es das Erlebnis oder die Geschichte hinter dem Produkt.

Thorsten Husmann

Peter Jauch: Die klassische Sammlung also – Flaschen, die man niemals öffnen möchte, sondern einfach nur besitzt?

Thorsten Husmann: Ja, genau. Aber Luxus kann auch immateriell sein. Es geht nicht immer nur um das Produkt selbst, sondern auch um das Erlebnis. Ich erinnere mich an einen Master Distiller, der sich weigerte, eine Flasche zu signieren, wenn sie niemals geöffnet würde. Für ihn lag der Luxus darin, Freude zu bereiten und das Produkt zu genießen. Das fand ich eine sehr spannende Perspektive.

Peter Jauch: Interessant! Denkst du, dass das Luxus-Spirituosensegment sein Potenzial ausschöpft?

Thorsten Husmann: Ich glaube, es gibt noch viel ungenutztes Potenzial, besonders im Hinblick auf die jüngere Generation. Viele Marken setzen aktuell auf alkoholfreie Varianten, aber ich bin mir nicht sicher, ob das die Antwort auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe ist. Luxus könnte neu definiert werden – hochwertige Produkte für bewussten Konsum. Zudem muss Luxus nicht immer global ausgerollt werden. Regionalität könnte hier eine größere Rolle spielen.

Peter Jauch: Das ist ein interessanter Punkt. Luxus könnte also auch lokal begrenzt sein und nicht immer global verfügbar.

Thorsten Husmann: Ja, absolut. Es gibt Spirituosen, die nur in bestimmten Regionen verfügbar sind, weil die Menge begrenzt ist oder die Aromen nur dort funktionieren. Das könnte auch Teil des Luxus sein – etwas zu haben, das anderswo nicht erhältlich ist.

„KI kann ein unglaublich guter Sparringspartner sein, wenn man sie richtig einsetzt.“ – Thorsten Husmann

Peter Jauch: Wie siehst du den Einfluss der künstlichen Intelligenz im Luxus-Spirituosensegment?

Thorsten Husmann: KI kann ein unglaublich guter Sparringspartner sein, wenn man sie richtig einsetzt. Sie kann helfen, Geschmacksprofile zu analysieren oder Verpackungsdesigns zu optimieren. Dennoch bleibt der menschliche Faktor entscheidend. KI kann den Innovationsprozess beschleunigen, aber die kreativen Entscheidungen sollten immer noch von Menschen getroffen werden.

Peter Jauch: Interessant! Und wie siehst du das Thema Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang?

Thorsten Husmann: Das Thema Nachhaltigkeit wird oft von äußeren Kräften getrieben, besonders vom Handel, der auf CO2-Neutralität drängt. Oft wird Nachhaltigkeit nicht wirklich gelebt, sondern durch Ausgleichszahlungen „erkauft“. Es wäre wünschenswert, dass Unternehmen nachhaltiger produzieren, statt sich auf solche Lösungen zu verlassen.

Peter Jauch: Vielen Dank für das Interview, Thorsten. Wenn auch Sie ein spannendes Thema haben, dann melden Sie sich gerne bei mir: peter@aboutgintonic.com.

Mehr von Peter Jauch

„Jauch’s 5“ ist die Kolumne auf about-drinks. Peter Jauch rückt in jedem Artikel 5 Hauptdarsteller in den Fokus – mal sind es Gins, mal Drinks, Bars, Restaurants, Events oder andere Spirituosen. Peter Jauch ist Autor von „GIN – Das Buch“ und Gründer von about GIN TONIC. Er ist Speaker und Host verschiedener Gin-Erlebnisse (Tastings, Festivals, Dinners). Zudem gründete er das „GIN Erlebnis Festival“, das „about spirits Festival“ und schrieb das Konzept für die „GIN church“ Zürich. Weitere Infos über ihn gibt’s unter aboutgintonic.com. Das Video-Interview mit ihm findet man hier.

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+++ Wir bedanken uns bei Peter Jauch für das Interview! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++

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