Gastbeitrag

Rechtsanwalt Dr. Christian Böhler: „Alkoholfreie Spirituosen“ sind pfandpflichtig

In jüngster Zeit sind Unternehmen der Getränkeindustrie vermehrt mit Abmahnungen des VSW wegen Verstößen gegen die Pfandpflicht konfrontiert. Ein solcher Verstoß stellt laut LG Berlin (91 O 85/22) auch einen Wettbewerbsverstoß dar. Es ist daher Zeit, sich mit der Pfandpflicht näher zu befassen:

Erweiterte Pfandpflicht

2003 wurde die Pfandpflicht eingeführt und über die Jahre immer wieder erweitert. Seit 2022 sind u. a. auch Fruchtsäfte, Energydrinks und alkoholische Mixgetränke zwischen 0,1 bis 3,0 Litern betroffen, sofern diese in Einwegflaschen oder Dosen verkauft werden. Ab 2024 gilt dies auch für Milch und Milchmischgetränke.

Geregelt ist dies im Verpackungsgesetz (VerpackG). Die Vorschriften gelten für alle, die gewerbsmäßig handeln und in Deutschland erstmalig in Verkehr bringen, ungeachtet ob online oder stationär, egal ob Produzent, Importeur oder Zwischenhändler. Der Hersteller pfandpflichtiger Verpackungen muss sich im Verpackungsregister LUCID registrieren. Eine zusätzliche Lizensierungspflicht besteht, wenn gewerbsmäßig, mit Ware befüllte Verkaufs- oder Umverpackungen, erstmals in Deutschland in Verkehr gebracht werden, die typischerweise beim privaten Endverbraucher als Abfall anfallen.

Ausnahmen von der Pfandpflicht

Maßgeblich ist § 31 VerpackG. Hiernach werden Hersteller von mit Getränken befüllten Einweggetränkeverpackungen verpflichtet 0,25 EUR Pfand zu erheben. Ziel der gesetzlichen Vorschrift ist es, Verpackungsmüll zu reduzieren und die Recyclingquote zu steigern. Als Grundsatz kann daher gelten: Im Zweifel Pfandpflicht.

  • 31 regelt aber auch wichtige Ausnahmen, für bestimmte Verpackungsmaterialien sowie für bestimmte Waren, die in den Verpackungen enthalten sind.

Die Rücknahmeverpflichtung gilt explizit nur für die Materialarten Glas, Metall, Papier/Pappe/Karton und Kunststoff einschließlich sämtlicher Verbundsverpackungen aus diesen Hauptmaterialien. Keine Pfandpflicht besteht daher für Ton- oder Steinflaschen. Eine „alkoholfreie Spirituose“ in einer Glasflasche ist demnach pfandpflichtig, das gleiche Produkt in einer Ton- oder Steinflasche hingegen nicht.

Ausgenommen sind nach § 31 Abs. 4 VerpackG u.a. folgende Getränke:

  • Sekt, Sektmischgetränke mit einem Sektanteil von mindestens 50% und schäumende Getränke aus alkoholfreiem oder alkoholreduziertem Wein;
  • Wein und Weinmischgetränke mit einem Weinanteil von mindestens 50% und alkoholfreier oder alkoholreduzierter Wein;
  • weinähnliche Getränke und Mischgetränke, auch in weiterverarbeiteter Form, mit einem Anteil an weinähnlichen Erzeugnissen von mindestens 50 %;
  • Alkoholerzeugnisse, die nach Alkoholsteuergesetz der Alkoholsteuer unterliegen, ausgenommen Erzeugnisse die der Alkoholpopsteuer unterliegen.;
  • Sonstige alkoholhaltigen Mischgetränke mit einem Alkoholgehalt von mindestens 15%.

Bedeutsam ist, dass das Alkoholsteuergesetz erst ab 1,2% vol. greift, Alkoholgehalte darunter können sich somit keinesfalls auf diese Ausnahme berufen. Auch sogenannte „alkoholfreie Alternativen“ werden grundsätzlich der Pfandpflicht unterliegen. Ausnahmen sind nur dann denkbar, wenn eine Ton- oder Steinflasche verwendet wird.

Die Getränkebasis oder der Getränkegrundstoff sind kein Ausweg

Weit verbreitet und gerade unter Herstellern alkoholfreier Alternativen beliebt ist der „Kniff“, sich auf die „Position“ zu stellen, dass es sich bei den „alkoholfreien Alternativen“ um kein Getränk, sondern um einen „Getränkegrundstoff“ oder eine „Getränkebasis“ handelt, die wiederum gar nicht der Pfandpflicht unterliegen würde.

Diese Argumentation ist, obwohl gerichtlich ungeklärt, nicht überzeugend und kann wohl nicht aus der Pfandpflicht rausführen.

„Alkoholfreie Alternativen“ sind (auch) zum direkten Verzehr geeignet, was auch werblich kommuniziert wird, teils mit verbotener Anspielung auf geschützte Spirituosenkategorien, teils ohne. Es besteht mithin eine Zweckbestimmung als Lebensmittel. Gerichte stellen an die Auflösung dieser Zweckbestimmung seit jeher strenge Anforderungen. Die bloße Kennzeichnung eines anderen Zwecks kann hiernach nicht aus der Kategorie „Lebensmittel“ hinausführen. Anders als etwa das Vergällen der Ware.

Zudem ist zu beachten, dass der EuGH, die Überwachung der Zweckbestimmung von Aromen wieder eingeführt hat. Aromen sind nur steuerbefreit, wenn sie zur Aromatisierung eines nicht alkoholhaltigen Getränks eingesetzt werden. Hierzu führt die Generalzolldirektion Bonn aus, dass Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass das hergestellte Erzeugnis ein unmittelbar trinkfähiges Getränk darstellt. Hierzu wörtlich heißt es:

„Eine unter Verwendung des bezogenen Aromas hergestellte Zubereitung, die nur in Mischungen mit anderen Getränken trinkfertig ist, erfüllt diese Bedingung nicht.“

Der zuvor erwähnte „Kniff“ mit der „Getränkebasis“ kann daher schnell zum Eigentor werden, wenn diese dazu führt, dass verwendete Aromen nicht mehr der Steuerbefreiung unterfallen. Im schlimmsten Fall wird dann die Beanstandung wegen Verstoßes gegen die Pfandpflicht durch ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung abgelöst, was die Situation nun wirklich nicht verbessern würde.

Mithin ist die „einfachste“ Stellschraube, um eine Pfandpflicht zu umgehen, die Materialauswahl. Alles andere ist höchst unsicher bis gefährlich.

Mit alkoholfreien Grüßen
Dr. Christian Böhler
Rechtsanwalt, Wirtschaftsjurist

Dr. Christian Böhler ist Senior Associate in der International Dispute Resolution Praxisgruppe von Squire Patton Boggs (US) LLP in Frankfurt . Er hat sich auf die Bereiche Gewerblicher Rechtsschutz (IP), Wettbewerbs- und Lebensmittelrecht mit einem speziellen Fokus auf die Konsumgüterindustrie spezialisiert. Christian Böhler berät nationale und internationale Mandanten in Markenangelegenheiten, beim Aufbau von Marken, der Kennzeichnung von Produkten, Vertriebsfragen sowie allen damit zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten.

Bild Dr. Christian Böhler: Copyright Aspose Pty Ltd.
Bild Spirituosen: ©iStockphoto | nikitos77

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