Ming River Baijiu: Matthias Heger über das Produkt und die meistgetrunkene Spirituose der Welt
Welche ist die meistgetrunkene Spirituose der Welt? Wo andere an Whisk(e)y oder Wodka denken, kennt Matthias Heger die Antwort: Baijiu. Weltweit wird mehr von der traditionellen chinesischen Getreidespirituose konsumiert als von Whisk(e)y und Wodka zusammen. Zugegeben: Hierzulande weiß dies kaum jemand, denn 99% des Baijius werden in China konsumiert – und 1,3 Milliarden Menschen sind eben ein riesiger Markt. Nichtsdestotrotz: Die hierzulande herrschende Unkenntnis will Matthias Heger mit seinem Ming River jetzt ändern.
about-drinks sprach mit Matthias Heger. Er ist einer der Gründer von Ming River Sichuan Baijiu und zuständig für den europäischen Markt.
Das Wichtigste zuerst: Was ist Baijiu?
Matthias Heger: Der Begriff 白酒 Baijiu (sprich bei-dschio’u) umfasst als Kategoriebezeichnung alle traditionellen chinesischen Getreidespirituosen. 白 bai (sprich bei) bedeutet „weiß“, 酒 jiu (sprich dschio’u) bedeutet „Alkohol“ und kann damit eigentlich gleichgesetzt werden mit dem deutschen Begriff Schnaps, der ja auch eine Metakategorie für Destilliertes darstellt.
Baijiu wird meistens aus Sorghumhirse destilliert, es kommen aber auch Reis, Weizen, Mais, Hirse oder sogar Erbsen zum Einsatz. Die Produktionstechniken und Zutaten unterscheiden sich je nach Region und Stil. Verschiedene Arten von Baijiu können geschmacklich so unterschiedlich sein wie Whiskey und Tequila.
Was den meisten Baijius aber gemein ist, sind die folgenden vier Punkten:
1) Fermentierung einer festen Maische unter Zugabe natürlicher Hefekulturen, ähnlich dem Koji bei der Shochuherstellung in Japan.
2) Destillation der festen Maische in traditionellen chinesischen Potstill, die in etwa funktionieren wie ein Dim-Summ Steamer.
3) Reifung in Terrakotta oder Keramik.
4) Blending durch eine/n Master Blender/in.
Es heißt Baijiu sei die meistgetrunkene Spirituose der Welt. Stimmt das?
Matthias Heger: Ja das stimmt. :-) Weltweit wird mehr Baijiu konsumiert als Whisk(e)y und Wodka zusammengenommen. Das weiß aber hierzulande kaum jemand, denn 99% des Baijius werden in China konsumiert. 1,3 Milliarden Menschen sind eben ein riesiger Markt.
Wie kamen Sie dazu, dieses hierzulande gänzlich unbekannte Getränke nach Deutschland zu holen?
Matthias Heger: Das hat etwas mit meiner persönlichen Biographie zu tun. Denn mit Ming River vereine ich zwei meiner großen Leidenschaften in einem Projekt: China und Spirituosen. Los ging es vor etwa acht Jahren. Da habe ich gemeinsam mit einem Freund aus Leidenschaft zum deutschen Korn einen modernen Korn namens WESTKORN (hier im Interview auf about-drinks) gegründet und erste Erfahrungen im Spirituosen-Business gemacht.
2001 habe ich dann angefangen, Chinesisch zu studieren, und seitdem auch die meiste Zeit in China gelebt und gearbeitet. In diesem Kontext kam ich immer wieder mit Baijiu in Berührung. Denn in China wird Baijiu gewöhnlich in kleinen 10-ml-Shots zum Essen gereicht – insbesondere zu Geschäftsessen, bei denen man gezwungen wird, so viel zu trinken, bis es nicht mehr geht … und darüber hinaus. Obwohl ich die Spirituose an sich interessant fand, war mir die Art und Weise des Konsums zuwider. Auch die junge Generation in China macht dieses exzessive Trinken nicht mehr mit, so dass der chinesische Baijiu-Markt eigentlich nur aus männlichen Chinesen ab 40 Jahren und aufwärts besteht. In Bars ist Baijiu in China daher so gut wie überhaupt nicht zu finden. Hier verwendet man fast ausschließlich westliche Spirituosen.
Die erste Idee, mit Baijiu zu arbeiten, kam mir und meinem amerikanischem Freund Bill dann im Jahr 2014 bei der Lesung des Buches „Baijiu – The Essential Guide to Chinese Spirits“ von Derek Sandhaus in Peking. Erst da wurde mir bewusst, wie vielfältig und großartig diese völlig übersehene und trotzdem immens große Kategorie ist. Gemeinsam mit unseren Freunden Simon und Johannes haben wir dann eine Baijiu Bar namens „Capital Spirits“ in Peking aufgemacht. Wir bauten ein traditionelles Haus in der Pekinger Altstadt zu einer „Western Bar with Chinese characteristics“ um und servierten Baijiu Flights und Baijiu-basierte Cocktails. Alle hielten uns für völlig verrückt, doch wie sich herausstellte, hatten wir eine Marktlücke entdeckt, denn die Bar wurde relativ schnell zu einer der beliebtesten Bars der Stadt. Unser Publikum setzte sich zusammen aus jungen Chinesen und internationalen Expats, die allesamt kein üblichen Baijiu-Konsumenten waren.
Die Bar zog erhebliches Medieninteresse aus dem In- und Ausland auf sich, wie z.B. von der New York Times, dem Wallstreet Journal oder Vice Magazine. Auch die chinesischen Baijiu-Hersteller wurden auf uns aufmerksam. Schließlich schafften wir es, eine junge Zielgruppe für Baijiu zu begeistern, die sie nicht mehr erreichten. Auch Nicht-Chinesen, die wir abends in der Bar sitzen hatten und denen wir Cocktails mit Baijiu servierten. Mit dem Wissen, das Baijiu auch außerhalb Chinas funktionieren kann, gingen wir auf unsere Lieblingsbrennerei namens Luzhou Laojiao in der Provinz Sichuan zu. Wir schlugen Ihnen vor, gemeinsam eine neue Baijiu-Marke für den westlichen Markt zu entwickeln. Und das war die Geburt von Ming River, einem traditionellen Strong Aroma Baijiu im Sichuan-Stil, gebrannt von der ältesten kontinuierlich betriebenen Brennerei Chinas (seit 1573, also der Ming Dynastie) und in einem Design, welches den westlichen Konsumenten anspricht, ohne seine fernöstliche Herkunft zu verleugnen. Und wir sind davon überzeugt, dass unser Baijiu einen Platz in jeder internationalen Bar verdient hat.
Wie und woraus wird Ihr Ming River hergestellt? Mit wem arbeiten Sie bei der Herstellung zusammen?
Matthias Heger: Wie schon erwähnt, arbeiten wir bei der Produktion mit der Brennerei Luzhou Laojiao zusammen. Sie ist eine der ältesten Baijiu Brennereien Chinas und liegt im Südwesten der Provinz Sichuan, in einem Städtchen namens Luzhou. Seit beinahe 2.000 Jahren wird hier Alkohol produziert. Zu den bekanntesten Söhnen der Stadt zählen Guo Huaiyu, der im Jahr 1324 den ersten „Big-Qu“ Baijiu brannte, und Shi Jinzhang, der 100 Jahre später die Fermentation in Gruben erfand. Von den Chinesen wird Luzhou aufgrund ihrer hochprozentigen Historie liebevoll „die Schnapsstadt“ genannt.
Das Markenzeichen der Luzhou Laojiao Destillerie ist eine Produktionstechnik, die als „tausendjährige Grube und zehntausendjährige Maische“ bekannt ist. Dabei wird Hirse-Maische in großen Erdgruben etwa acht Wochen lang vergoren und anschließend destilliert. Nach der Destillation wird die Maische mit frischem Getreide und natürlichen Hefen (Qu) aufgefüllt und in die Grube zurückgegeben. So entsteht ein endloser Kreislauf, der einen gleichbleibenden, kontinuierlichen Geschmack gewährleistet.
Man sagt für gewöhnlich, dass mit dem Alter einer Grube die Komplexität des in ihr produzierten Baijius steigt. Das kommt daher, da die Wände der Grube im Laufe der Zeit Hefen und andere Mikroorganismen aus dem Fermentationszyklus aufnehmen und so die Entwicklung der Maische beeinflussen. Eine Grube wird als „reif“ bezeichnet, wenn sie seit mindestens 30 Jahren ununterbrochen in Betrieb ist. Luzhou Laojiao betreibt zur Zeit 1.600 alte Gruben, von denen mehr als 1.000 älter als hundert Jahre sind. Die Destillerie ist zudem im Besitz der ältesten aktiven Fermentationsgruben der Welt. Sie stammen aus dem Jahr 1573.
Man sagt: Entweder liebt man Baijiu oder man hasst ihn. Liegt es am „Deutschland-untypischen“ Geschmack?
Matthias Heger: Haha. Ich würde sagen, Baijiu ist ein „acquired taste“. Die ungewohnte Nase und der Geschmack verwirren anfangs ein wenig die Sinne, doch dann erkennt man in der Vielfalt der Aromen Altbekanntes, wie Ananas oder Anis. Nur die Kombination der Geschmäcker ist eine völlig Neue.
Und wie schmeckt er nun, Ihr Ming River Baijiu??
Matthias Heger: Ich würde sagen, er schmeckt „überraschend“ oder „unexpected“. Um ehrlich zu sein, habe ich über Ming River schon jede Beschreibung gehört, sodass mich eigentlich nichts mehr überrascht. Die Aromenkombination aus reifer Ananas, Anis, getrocknetem Heu und rosa Pfeffer ist für eigentlich alles Spirituosenliebhaber etwas völlig Neues, insbesondere bei einer klaren Spirituose. Insofern polarisiert unser Ming River, doch die meisten Barkeeper freuen sich über die Herausforderung mit einer völlig neuen Kategorie Drinks zu kreieren.
An welche Zielgruppe richten Sie mit dem Produkt? Wo soll es zum Einsatz kommen?
Matthias Heger: Da wir das Privileg haben, eine völlig neue Kategorie in den Markt einzuführen, richten wir unser Hauptaugenmerk auf innovative Bars, die mit neuen Aromen- und Geschmacksprofilen experimentieren wollen. So treffen wir durch das Ananasaroma besonders im Tiki-Bereich auf viel Zustimmung. Ming River eignet sich aber auch hervorragend als Ersatz von jamaikanischen Pot Still Rums, die ja ebenfalls einen hohen Esthergehalt aufweisen. In Sours und in Kombination mit Amaros überzeugt Ming River ebenfalls. Als Longdrink liebe ich Ming River in einem Mule mit einem Schuss Apfelsaft. Doch wir arbeiten auch verstärkt mit authentischen chinesischen Restaurants zusammen, da Sichuan Baijiu eigentlich für den Genuss zu den scharfen Speisen der Sichuan Küche entwickelt wurde.
Über welche Distributionswege wird Ming River Baijiu vermarktet?
Matthias Heger: Wir arbeiten im Vertrieb mit „Otherguys“ zusammen, die einen tollen Job machen, um unseren Baijiu in Deutschland bekannt zu machen. Importiert wird Ming River derzeit von der Partisan Vertriebs GmbH. Mittlerweile haben wir die Listung bei einigen GFGHs und Online-Händlern in Deutschland geschafft.
Wie sehen die Pläne für das Jahr 2019 aus?
Matthias Heger: Wir konzentrieren uns darauf, Baijiu als Kategorie und Ming River als die attraktivste Marke dieser Kategorie in Deutschland bekannt zu machen. Wir haben mit Derek Sandhaus einen Category Ambassador, der über seine Plattform www.drinkbaijiu.com nicht nur über Ming River, sondern über alles Wissenswerte in Sachen Baijiu berichtet. Wir organisieren regelmäßig Master Classes in allen großen deutschen Städten und nehmen an der ProWein und dem BCB 2019 teil. Wir wollen Baijiu mit der authentischen Essenskultur Chinas (hier speziell die Sichuan-Küche) verbinden. Daher werden wir verstärkt mit Gastronomen arbeiten, die sich von der altbewährten Ente süß-sauer abwenden und die reiche kulinarische Tradition des echten China aufgreifen. Neben Deutschland sehen wir zudem sehr viel Interesse aus anderen europäischen Ländern, wo wir 2019 auch Fuß fassen wollen.
Ming River Baijiu | mingriver.com | facebook.com/MingRiverDeutschland | instagram.com/mingriverbaijiu
+++ Wir bedanken uns bei Matthias Heger für das offene und sehr interessante Interview und wünschen Ming River Baijiu weiterhin viel Erfolg! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++