Interview

„Ich werde mir zwei Hüte aufsetzen“: Welde-Chef Max Spielmann zur Übernahme der Heidelberger Brauerei

Die Geschichte der Heidelberger Brauerei begann 1753, und auch die Entstehung der Braumanufaktur Welde, die sich im nur 10 km entfernten Plankstedt befindet, geht bis ins Jahr 1752 zurück. Zwei Brauereien, zwei lange Traditionen – und eine gemeinsame Zukunft. Die Heidelberger Brauerei hat mit Welde im März eine Nachfolgevereinbarung getroffen. Der bisherige Geschäftsführer der Heidelberger Brauerei, Michael Mack, übergibt an Welde-Chef Max Spielmann, der als Geschäftsführer „mit zwei Hüten“ künftig beide Brauereien leiten wird. Los geht’s gleich mit Vollgas und der Umsetzung der „Aroma-Hopfen-Offensive“ in seinen ersten 100 Tagen bei der Heidelberger Brauerei.

Wir haben mit Max Spielmann gesprochen – über die Nachfolgeregelung, die Führung beider Brauereien auf Augenhöhe, die „Aroma-Hopfen-Offensive“ und seine weiteren Pläne.

Plankstadt und Heidelberg und damit Welde und die Heidelberger Brauerei liegen nur ca. 10 km auseinander. Welche Bedeutung haben die beiden Brauereien für die Region?

Max Spielmann: Die beiden Brauereien sind eine der letzten starken Bastionen der traditionsreichen Braukultur der Kurpfalz. Es ist fair in diesem Zusammenhang auch Eichbaum in Mannheim und die Privatbrauerei Gebrüder Mayer in Ludwigshafen zu nennen. In gewisser Weise hat jeder der drei großen Städte in der Kurpfalz noch ein historisch angestammtes und traditionsreiches Brauhaus und Welde ist sowohl in den in den Städten und als auch in der Fläche in der Region verankert.

Max Spielmann (l.) und Michael Mack vor dem Heidelberger Brauhaus.

Wann und wie entstand erstmals die Idee zur Übernahme der Heidelberger Brauerei als Nachfolgeregelung mit Ihnen als Geschäftsführer?

Max Spielmann: Michael Mack ist wie ich ein Bier-Enthusiast. Er weiß, dass ein gutes Bier Zeit braucht, mindestens vier Wochen. Ihm gefiel, dass ich die Welde-Biere sechs bis acht Wochen reifen lasse und dass die Welde-Braumanufaktur vom „Slow Brewing Institut“ als Slow Brewery zertifiziert wurde. Und ihm gefiel, wohl auch, dass ich mich voll mit der über 270-jährige Brauertradition meiner Familie identifiziere und mit Begeisterung die Fahne der regionalen Bier-Kultur und Bier-Vielfalt hochhalte.

Michael Mack hat mich vor fast einem Jahr direkt, persönlich und vertraulich angesprochen, nachdem ihm seine Kinder dazu geraten haben. Für diesen Vertrauensvorschuss bin ich sehr dankbar.

Sie wollen beide Unternehmen selbstständig und auf Augenhöhe weiterführen. Was genau bedeutet das – und wie einfach oder schwierig ist das?

Max Spielmann: Auf Augenhöhe heißt, jede Marke mit eigenem Profil. Wir gehen nicht nach Heidelberg und sagen, was anders gemacht werden soll. Die Idee ist, die Stärken des anderen zu sehen und voneinander zu lernen. Ich werde mir zwei Hüte aufsetzen und meine Woche aufteilen, die Hälfte der Zeit hier, die andere dort. Hinter diesem partnerschaftlichen Konzept steht die Erkenntnis, dass wir als regionale Marken mit Bierspezialitäten-Kompetenz unseren Markt vor der Haustür bedienen und ausbauen wollen.

In den vergangenen 20 Jahren war vielerorts zu beobachten, was aus einer Marke, aus einer Brauerei wird, wenn sie in die in die Hände eines Bierkonzerns gerät: Der Standort werden ausgebeint, die Braukunst vor Ort kommt unter die Räder, Arbeitsplätze gehen verloren, gebraut wird irgendwo, aber nicht mehr vor Ort, Rohstoffe werden billig eingekauft und nach nur einer Woche sind die Biere fertig. Nichts blieb, nur der Name, um die Verbraucher zu halten.

Binding und Henniger waren da abschreckende Beispiele. Es geht darum, regionale Braukultur in ihrer ganzen Vielfalt zu erhalten und da sind die Fernsehbiere die Konkurrenz, nicht der Nachbar.

Max Spielmann (l.) und Michael Mack auf der Pressekonferenz im März, bei der sie die Nachfolge bekannt gaben.

Was können die beiden Brauereien voneinander lernen?

Max Spielmann: Voneinander lernen kann man immer; wer sich über Jahre am Markt behauptet, macht eben auch einiges richtig. Die Heidelberger Brauerei hat große Kompetenz und Verankerung in der Gastronomie; Welde ist gut im Handel. Da gibt es wechselseitige Lerngewinne.

Dennoch wird sich bei der Heidelberger etwas ändern. Sie streben eine „Aroma-Hopfen-Offensive“ an. Wie sieht die aus?

Max Spielmann: Ich strebe für alle Brauprozesse eine radikale Qualitätsoffensive an, vor allem in Heidelberg. Neben der längeren Reifezeit für das Bier setzen wir hier vor allem auf die Verwendung von hochwertigem Aroma-Hopfen, den wir für Welde aus der Region um Tettnang am Bodensee und aus der Hallertau beziehen.

Als Brauer, der die Qualitätsführerschaft in der Region für sich in Anspruch nimmt, muss ich schon etwas mitbringen, auch wenn Aroma-Hopfen eine kostspielige Angelegenheit ist. Der Einsatz von Aroma-Hopfen in alle Brauprozesse der Heidelberger Brauerei ist mein Ziel für die für die ersten 100 Tage. Das wird ein herausfordernder Transformationsprozess und Arbeit genug für die erste Zeit.

Welche Produkte umfasst das Portfolio der Heidelberger Brauerei aktuell? Wird sich daran in absehbarer Zeit etwas verändern?

Max Spielmann: Die Heidelberger haben mit 1603 ihre Star-Marke und brauen darüber hinaus weitere klassische Sorten wie Weizenbier oder Export. Die Dinge bleiben erstmal wie sie sind. Wir wollen sehen, wie unsere Aroma-Hopfen-Offensive im Markt ankommt.

Wie sieht Ihre Vision für die Heidelberger Brauerei aus?

Max Spielmann: Im Grunde stehen wir jetzt ganz ähnlich da, wie die Gebrüder Kleinlein vor 200 Jahren und die Aktionäre vor 100 Jahren. Heidelberg war damals und ist heute wieder eine aufstrebende, eine junge und agile Wissenschaftsstadt mitten in Europa.

Wenn es gelingt – ähnlich wie es den Brüdern Kleinlein und den Aktionären von damals gelang – dieses Lebensgefühl mit den Bieren der „Heidelberger Brauerei“ neu aufleben zu lassen, dann kann die Zukunft nur gut werden. Das Potenzial ist da. Die Lehren aus der Geschichte kennen wir. Begeisterung für Biervielfalt haben wir. Es liegt an uns. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.

Blick von Heidelberg rüber nach Plankstadt: Was steht bei Welde im Jahr 2024 an?

Max Spielmann: Wir haben einen klaren Kurs. Wir setzen auf die Region. Um uns herum leben im Rhein-Neckar-Raum 2,7 Millionen Menschen. Wie viele davon bieraffin sind, können wir nur schätzen. Rein statistisch bedienen die Heidelberger Brauerei und Welde zusammen knapp 4 Prozent des Biermarktes im Rhein-Neckar-Dreieck. Wenn wir diese Zahl in den nächsten Jahren verdoppeln, machen wir einen guten Job. Für die Heidelberger und für Welde gilt dasselbe: Stärken ausbauen, Schwächen erkennen und besser werden.

Mit Kurpfalzbräu haben Sie vor ca. sechs Jahren eine weitere Marke in der Region erfolgreich aufgebaut. Wieso streben Sie eine Mehrmarkenstrategie an?

Max Spielmann: Wenn wir alle 2,7 Millionen Menschen in unserer Region erreichen wollen und als Ziel haben, den Biergenuss in der Region fördern zu wollen, dann müssen wir Biere und damit Genuss für jeden und jede anbieten. Wir schreiben den Menschen doch nicht vor, wie sie genießen – das bleibt ihnen selbst überlassen. Und jeder Mensch definiert das anders für sich.

Dann muss man aber auch ein vielfältiges Angebot haben. Vergleichen Sie es mit Radiosendern. Hier gibt es Sender mit Schlager, mit Klassik oder mit Pop. So verstehen wir unser Angebot an durchweg qualitativ hochwertigen Bieren, eben mit unterschiedlichem Fokus.

Heidelberger Brauerei | Website | Instagram | Facebook

Welde | Website | Instagram | Facebook

+++ Wir bedanken uns bei Rob van Cooten für das offene und sehr interessante Interview! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++

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