„Gute Arbeit spricht sich schnell rum“: Headhunter Tim Oldiges im HR-Interview
Was zeichnet erfolgreiche Arbeitgeber aus? Wo liegen ihre Stärken? Welche zeitgemäßen HR-Prozesse bieten sie an? Die Digitalisierung und der demographische Wandel haben in den letzten Jahren neue Herausforderungen, aber auch große Chancen hervorgebracht. In unserer neuen Interviewreihe sprechen wir mit Personalentscheidern und HR-Verantwortlichen aus der Getränkebranche über aktuelle Themen.
Tim Oldiges stieg 2013 als Geschäftsführer und Headhunter in die etablierte Personalberatung seines Vaters ein. Daraus gründete er 2017 die Headgate GmbH. Headgate zählt heute zu den führenden deutschen Personalberatungen – und Tim Oldiges zu den renommiertesten Headhuntern des Landes. Er betreut seit Jahren erfolgreich die Top-Familienunternehmen Deutschlands, u.a. in den Bereichen FMCG (Fast Moving Consumer Goods) und Handel. Im Interview sprechen wir mit ihm über seinen Job, den Headhunting-Prozess und seine Kunden. Zudem verrät er, wie sich der Markt durch die Pandemie, „New Work“ sowie den Fach- und Führungskräftemangel entwickelt.
Herr Oldiges, wie sah Ihr bisheriger beruflicher Werdegang aus?
Tim Oldiges: Ich bin studierter Wirtschaftsingenieur und war bereits als Berater und Business Development Manager in Deutschland und in den USA (Silicon Valley) aktiv. Nach verschiedenen Managementstationen in einem großen Logistikdienstleistungskonzern war ich dort zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung für dessen Automobil- und Maschinenbaubereich, Marketing sowie Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich.
Der Sprung in die Personalberatungsbranche erfolgte 2013, als ich als Geschäftsführer und Headhunter in die etablierte Personalberatung meines Vaters einstieg. Nachdem ich nämlich bei meinem Job zuvor selbst mit Headhuntern zusammengearbeitet habe und mich über deren Abwicklungsqualität geärgert habe, dachte ich, das muss doch deutlich besser gehen. Seit 2017 betreue ich nun als geschäftsführender Gesellschafter Mandanten im Namen der Headgate GmbH, die als Spin-off aus diesem Unternehmen hervorging.
Was genau macht Ihr Unternehmen?
Tim Oldiges: Headgate zählt zu den führenden deutschen Personalberatungen in den Bereichen FMCG & Handel, Automotive, Bau, Industrie und Logistik. Wir sind auf die Besetzung hochrangiger Management-Vakanzen spezialisiert und finden für unsere Kunden, zu denen vor allem Top-Familienunternehmen aus Deutschland gehören, die passenden Top-Kandidatinnen und -Kandidaten. Wir suchen häufig das „Schweizer Taschenmesser“: die besten Köpfe, die einerseits Unternehmen transformieren können und gleichzeitig den Anforderungen von „New Work“ gewachsen sind. Dabei steht bei uns immer der Mensch selbst im Mittelpunkt.
Headgate verfolgt nämlich die zentrale Mission, die besten Führungspersönlichkeiten mit Familienunternehmen zusammenzuführen und dadurch die Basis für ein Arbeitsverhältnis zu schaffen, das von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt geprägt ist. Wir sind von unserer Arbeit dabei so überzeugt, dass wir unseren Kunden eine am Markt selten anzutreffende 24 Monatsgarantie auf unsere Executive Search gewähren. Konkret bedeutet das: Falls eine durch uns vermittelte Führungskraft das Unternehmen innerhalb von zwei Jahren wieder verlässt, kümmern wir uns persönlich um erstklassigen Ersatz.
Sie haben vor Headgate bereits Erfahrung in der Personalberatung gesammelt. Dennoch: Wie schwierig war es, sich in dem Bereich zu etablieren?
Tim Oldiges: Sich als Headhunter zu etablieren, ist aufgrund der Vielzahl an Beratungen einerseits schwierig. Weil es keine klassische Ausbildung zum Headhunter gibt, sind die Hürden andererseits jedoch sehr niedrig – was meiner Meinung nach allerdings ein Problem ist. Niemand prüft die Qualität der Headhunter, es handelt sich daher um einen ziemlich intransparenten Markt. Ob jemand Erfahrung hat und wirklich kompetent ist, merken auch die Kandidatinnen und Kandidaten und die Kunden:
Es gilt, die Situation des Kunden und die individuelle Kultur genau zu verstehen, und für die Kandidatinnen und Kandidaten im Detail aussagefähig zu sein. Ich gehe deshalb konkrete Geschäftsszenarien mit ihnen durch, um zu sehen, ob sie der jeweiligen Position gewachsen sind. Wenn man als Headhunter die richtige Strategie und Methode an den Tag legt, führt diese schnell und beständig zu Erfolg und somit zu einem gewissen Renommee. Gute Arbeit spricht sich schnell rum und deshalb wachsen wir jedes Jahr allein aufgrund von Empfehlungen zweistellig.
Wie sieht so ein Headhunting-Prozess bei Ihnen aus, wenn z.B. ein Unternehmen auf Sie zukommt?
Tim Oldiges: Wir setzen uns intensiv mit dem Unternehmen auseinander, führen Gespräche auf Augenhöhe, tauchen in die Welt unserer Kunden ein – und fragen uns letztlich selbst, ob wir dort gerne arbeiten würden. Falls ja, beraten wir unseren Kunden im Hinblick auf dessen Außendarstellung und gehen anschließend für ihn auf die Suche nach der Top-Kandidatin oder dem Top-Kandidaten für die zu besetzende Führungsposition.
Durch die intensive Auseinandersetzung mit unserem Kunden haben wir ein klares Bild vom Charakter des potenziellen Vorgesetzen, um die spätere „Kompatibilität“ mit dem Kandidaten zu prüfen. Denn die meisten Menschen kündigen, weil sie mit ihren Chefs nicht klarkommen. Etwa die Hälfte der Kandidatinnen und Kandidaten sind schon wechselwillig, weil sie unzufrieden sind. Aber viele müssen wir durch höfliche Hartnäckigkeit für uns gewinnen – und genau das entspricht unserem Selbstverständnis. Ein „Nein“ bedeutet in den meisten Fällen nämlich, das nur „noch ein Impuls nötig“ ist.
Beim eigentlichen Headhunting-Prozess geht es zunächst darum, die Stelle intensiv zu analysieren, um auf dieser Basis ein spannendes Profil zu erarbeiten, das dem Kandidaten die Vorzüge und Anforderungen der Aufgabe nahebringt. Auch hier muss die Customer-Journey passen. Im Gegensatz zu konservativen Ansätzen gewinnen wir hier 30 % mehr Kandidatinnen und Kandidaten. Nach dem ersten Telefonat treffe ich die jeweiligen Kandidaten persönlich – das kann auf der ganzen Welt sein, aber auch mal per Videokonferenz passieren.
Viele Manager haben tagsüber kaum Zeit, daher trifft man sich abends im Restaurant, manchmal auch am Flughafen oder in angemieteten Büros. Seit der Pandemie läuft vieles digital, was natürlich eine ganz andere Stimmung schaffen kann. Keiner der von uns vermittelten Top-Positionen wird daher besetzt, ohne die Person je wirklich selbst gesehen zu haben. Wie sich jemand verhält, wenn er unter Druck argumentieren muss, erfahre ich nur, wenn ich dem Gesprächspartner live in die Augen sehe.
Wo suchen Sie? Haben Sie ein Netzwerk, gibt es Online-Tools, die bei der Suche helfen?
Tim Oldiges: Die Netzwerke Xing und LinkedIn sind wichtig für den ersten Kontakt, aber natürlich haben wir auch eigene Netzwerke in unterschiedlichen Branchen etabliert, verfügen über eine gut gefüllte Datenbank und nutzen auch einige Nischentools innovativer Start-ups. Früher war derjenige Headhunter am erfolgreichsten, dessen Telefonbuch am dicksten war. Doch der Beruf hat sich stark verändert: Ohne Digitalisierung galt es als Expertenwissen, wie eine Industrie aufgebaut ist, heute kann das jeder per Knopfdruck herausfinden.
Heute geht es vielmehr und verstärkt um die Begeisterung für die neue Aufgabe. Hier und bei der Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten trennt sich die Spreu vom Weizen der Headhunter. Bei jedem Kandidaten starten wir eine kurze Hintergrundrecherche, wobei unsere Klientel im Web meist nicht sonderlich aktiv ist und eher wenig Privates preisgibt. Die Mehrheit unserer Kunden hätte vermutlich auch Probleme damit, wenn der Wunschkandidat ein ausschweifendes Partyleben auf Instagram präsentiert.
Gibt es den Prozess auch andersrum – dass eine Person auf Sie zukommt mit der Bitte, eine geeignete Stelle zu finden?
Tim Oldiges: Ja, auch Kandidatinnen und Kandidaten wenden sich an uns, wenn sie auf der Suche nach einer neuen Aufgabe sind. Als Headhunter für Führungskräfte haben wir uns auf die Besetzung von Führungspositionen in den renommiertesten deutschen Familienunternehmen spezialisiert und Top-Kandidaten schätzen uns für unsere Qualität und Beratung. Sich an einen Headhunter zu wenden, ist in der Tat auch oftmals sinnvoll, denn viele der hochkarätigen Führungspositionen sind am Arbeitsmarkt nicht sichtbar und nur über Personalberater zugänglich. Der klassische Bewerbungsprozess über Plattformen und Assessment-Center ist für stark eingebundene Führungskräfte außerdem oft zu zeitraubend. Zudem sind Datenschutz und Vertrauen notwendig, um die eigenen personenbezogenen Informationen aus der Hand zu geben. Und auch Stellenanzeigen sind häufig sehr allgemein und eher kryptisch, so dass die Kandidatinnen und Kandidaten sich nur wenig unter der Vakanz vorstellen können.
Wir bei Headgate hingegen sind sehr nah an unseren Mandanten dran und können ihnen daher alle relevanten Informationen rund um die ausgeschriebene Vakanz zur Verfügung stellen. Und zu guter Letzt: Zwei Drittel aller Kandidatinnen und Kandidaten sind passiv suchend, also nicht aktiv auf der Suche nach einer neuen Herausforderung, und erhalten unser Angebot demnach überraschend. Wir machen ihren potenziellen neuen Arbeitgeber und damit ihr Arbeitsumfeld für sie erlebbar und geben ihnen damit einen authentischen Eindruck von der ausgeschriebenen Vakanz.
Denn am wichtigsten ist es, dass die neuen Aufgaben und Herausforderungen ihren individuellen Vorstellungen und Qualifikationen entsprechen. Deshalb spielen bei der Besetzung von Führungspositionen auch ein transparenter, unkomplizierter Bewerbungsprozess sowie die fundierte Analyse von Stärken und Interessen eine zentrale Rolle.
Headgate hat sich u.a. auf die FMCG- und Handelsbranche spezialisiert. Warum?
Tim Oldiges: Die FMCG- und Handelsbranche per se ist ein sehr interessantes Umfeld, hier gibt es einige großartige mittelständische Unternehmen, die spannende und attraktive Aufgaben und Positionen zu bieten haben. Ob Reduktion der Time-to-Market, flexible Produktionsprogramme, Ausbau der Produktportfolios oder Erschließen neuer Märkte – für Produzierende im Bereich FMCG und Lebensmittel ergeben sich stetig neue Aufgabenstellungen. Wir sehen im Handel, aber auch in anderen Branchen, gravierende Veränderungen des Geschäftsmodells und daher braucht es Managerinnen und Manager, die diese Transformation voranbringen und umsetzen.
Als Headhunter mit Spezialisierung auf FMCG meistern wir gemeinsam mit unseren Kunden jede Herausforderung. In über 2.000 erfolgreichen Suchprojekten für renommierte deutsche Familienunternehmen durfte Headgate bereits unter Beweis stellen, was uns seit vielen Jahren am Herzen liegt: Menschen zu begeistern und sie in Umfelder zu bringen, die sie inspirieren. Es macht riesig Spaß und ist extrem erfüllend, unsere Kunden dabei zu unterstützen, den Zeitgeist zu treffen und für ihre Kunden nachhaltigen Mehrwert zu schaffen, der auf ganzer Linie überzeugt. Unsere Branchenlösungen sind perfekt auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt, sodass sie genau die Führungspersönlichkeit finden, die sie sich für ihr Unternehmen wünschen.
Gibt es Kunden aus der Getränkebranche, für die Sie aktiv waren? Und wenn ja: Dürfen Sie Namen nennen?
Tim Oldiges: Unsere Kunden schätzen unsere vertrauliche Arbeit, so dass wir keine Kundennamen nach außen kommunizieren. Aber soviel darf gesagt sein: Wir arbeiten für Zulieferer der Getränkebranche, Getränkehersteller sowie den nachgelagerten Handel und bedienen somit die gesamte Wertschöpfungskette.
Der FMCG-Bereich – und speziell die Getränkebranche – gilt als sehr schnelllebig. Zeigt sich das auch in Personalwechseln und der (Nach-)Besetzung von Stellen?
Tim Oldiges: Ja, die Schnelllebigkeit der Branche zeigt sich auch auf dem Personalmarkt. Das hat u.a. folgende Gründe: Auf Seiten der Zulieferer ändert sich der Vertrieb gerade stark. Hier braucht man interdisziplinäre Teams, um für den Kunden schnell Produktanpassungen hinsichtlich Verpackung, Größe oder Personalisierung vorzunehmen. Wichtiger wird auch, die nachgelagerte Logistik sicherzustellen in Zeiten von sich verknappenden Ressourcen, insbesondere in Krisenzeiten wie diesen. Früher ging es darum, Regale zu befüllen. Heute entwickeln sich hochindividuelle Produkte zu Kundenmagneten. Übrigens auch über den eigenen Onlinevertrieb, was die Chance bietet, unabhängiger vom Händler zu werden.
Auf der anderen Seite haben wir aber auch eine starke Konzentration auf der Handelsseite. Händler gewinnen immer mehr Einkaufsmacht, stehen im Vertrieb aber vor der Frage, wie sie online und stationär verbinden und neue Touchpoints generieren (z.B. Click & Collect). All diese Veränderungen erfordern neue Führungskompetenzen und Strukturen. Alte Handelsorganisationen sind dafür oft nicht ausgelegt, was die IT und die Transformationsfähigkeit betrifft. Es werden daher Top-Manager gesucht, die die Organisation dahingehend umbauen, dass neue Prozesse im Sinne einer optimalen Customer Journey etabliert werden. Der Kunde gibt den Ton an und diesen Kontakt darf der Händler nicht mehr hergeben. Natürlich müssen intern in diese Prozesse Vertrieb, IT, Einkauf und Category Management optimal integriert werden. Food und Nonfood unterscheiden sich hier deutlich.
Deshalb werden Manager gebraucht, die es auch von ihrer Persönlichkeit schaffen, das alte Umfeld mitzunehmen und für Neues zu begeistern. Klar ist auch, „retail is detail“: Es gibt viele organisatorische Hürden zu knacken – wie soll ein regionaler Händler plötzlich national seine Kunden bedienen? Gesucht werden Menschen, die den Überblick behalten und sich durch Rückschläge nicht entmutigen lassen. Dafür sind operative Erfahrungen und Aufgeschlossenheit für alles Neue nützlich – eine Frage des Alters ist das allerdings nicht.
Wir brauchen speziell in der FMCG-Branche also Manager, die Ideen verkaufen, die richtigen Kompetenzen zusammenbringen und schnell Prototypen entwickeln können. Geschäftsmodelle zu entwickeln und Mannschaften dafür aufzubauen, ist ein Marathon und kein Sprint.
Durch die Pandemie ist noch einmal mehr Bewegung in den Markt gekommen. Wie nehmen Sie das wahr? Welche Entwicklungen gibt es?
Tim Oldiges: Corona hat gezeigt, wie gut Unternehmen vorbereitet sind auf das, was da kommt – nämlich die Transformation. Sie mussten ihren Vertrieb umstellen, neue Wege finden, um mit der Kundschaft zu kommunizieren und mobile Arbeit einführen. Viele Unternehmen hatten nicht die richtigen oder zu wenige Leute an Bord, die es braucht, um so eine Transformation zu vollziehen. Sowohl bei den gewerblichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch bei den Fachkräften gibt es auf allen Hierarchieebenen einen riesigen Bedarf. Insbesondere auf der Managementebene haben wir eine Verknappung an Top-Leuten, verbunden mit drastischen Lohnsteigerungen.
Und: Corona hat die Transformation der Unternehmenskulturen in vielerlei Hinsicht stark vorangetrieben. Das Home-Office verändert abermals die Blickrichtung, mit der viele Business-Class-Stammgäste auf ihr altes Leben blicken. Viele sind nicht mehr bereit, die gewonnen Freiheitsgrade aufzugeben. Deshalb führen wir auch mit wirklich jedem Kandidaten, egal auf welcher Ebene, Gespräche über das Home-Office. Diese Arbeitsform besticht, weil mehr Kontakt zur Familie möglich ist und Anreisezeiten wegfallen. Typischerweise verdichtet sich aber die Arbeit durch eng getaktete Team-Calls. Welchen Preis wir dafür zahlen, wird sich erst noch zeigen. Unsere mittelständischen Kunden haben sich noch nicht komplett auf diese neue Arbeitswelt eingestellt, aber auf Bewerberseite lässt sich das Rad nicht mehr zurückdrehen.
Wohin wird das in den nächsten Jahren Ihrer Meinung nach führen?
Tim Oldiges: Das Anwerben neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird immer mehr zu einem Vertriebsprozess, und das ist noch nicht bei allen Unternehmen angekommen. Es geht nicht mehr nur um tolle Farben auf der Webseite. Heutzutage müssen Unternehmen die richtigen Argumente parat haben. Denn die Kandidatinnen und Kandidaten, mit denen wir Kontakt haben, sind anspruchsvoll geworden. Ihnen geht es um das große Ganze, um Purpose, also um den Sinn und Zweck ihrer Arbeit. Dazu gehört auch das Gefühl von Mitbestimmung, von Wertschätzung und davon, Teil von etwas Großem zu sein. Der Lockdown, das lässt sich mit Zuverlässigkeit sagen, hat nämlich deutliche Spuren im Mindset der deutschen Manager hinterlassen. Attraktive inhaltliche Angebote in einem wertschätzenden und nachhaltigen Umfeld finden einen noch nie dagewesenen Anklang.
Hinzu kommt: Viele Firmen suchen aktuell bewusst Frauen für Managerpositionen, allerdings ist der Anteil der Vermittlungen weiterhin deutlich geringer. Generell hat sich aber der Managertypus in den letzten Jahren gewandelt – die Pandemie hat diesen Trend verstärkt. Heute wird beispielsweise viel offener kommuniziert, Manager müssen vor allem nahbar sein: Im Elfenbeinturm eine Strategie auszutüfteln – das ist und wird nicht mehr gefragt sein. Viele mittelständische Unternehmen haben jetzt gemerkt, dass sie das Tempo der Transformation anziehen müssen – und einige Führungskräfte damit überfordert sind. Denn wir alle haben verstanden, dass der Wille von oben nicht mehr reicht, um etwas zu verändern. Er muss ergänzt werden um das Verständnis dafür, was der Mitarbeiter braucht.
Der freimütige Umgang mit Kommunikation ist ein erster Schritt. Kontakt mit der Belegschaft; Dialog gilt heute und in Zukunft als Voraussetzung für Geschäftserfolg. Alle, die sich auf diesen Weg gemacht haben, sind erfolgreich. Warum? Weil ihnen der Kontakt zu den Teams auch dabei hilft, schnell Korrekturen vorzunehmen. Natürlich ist es eine gewaltige Umgewöhnung, diese Haltung in den Alltag zu integrieren und durchzuhalten.
Der Fach- und Führungskräftemangel macht es den Unternehmen aktuell schwerer denn je, geeignetes Personal zu finden. Ist das „gut“ oder „schlecht“ für Sie?
Tim Oldiges: Die Pandemiejahre waren für uns im Headhunting bislang eine Zeit der Gegensätze. Als sich die Medien mit Drohszenarien und negativen Headlines überschlugen, hatten auch wir zunächst Sorge bezüglich der weiteren Geschäftsentwicklung. Doch rückblickend muss ich sagen, haben wir schließlich einen großen Wachstumsschub erlebt und unser Geschäft kontinuierlich ausgebaut.
Aber auch die Rückmeldungen von Kandidatinnen und Kandidaten konnten wider Erwarten sogar noch gesteigert werden: Trotz Krise gelang es uns, pro Projekt 52 % mehr für unsere Angebote zu begeistern – wir sind also in der glücklichen Lage, von „positiven“ Auswirkungen zu sprechen.
In welchen Bereichen ist momentan der meiste Druck? Welche Bewerbertypen werden aktuell am häufigsten gesucht?
Tim Oldiges: Viele Unternehmen stehen aktuell vor einer Zerreißprobe, denn in den Betrieben werden im Zuge der Digitalisierung neue Fähigkeiten benötigt. Diese deckt die aktuelle Belegschaft mitunter nur bedingt oder gar nicht ab. Es sind Schlagwörter wie Data Science und Künstliche Intelligenz, wenn es darum geht, neue Talente und Führungskräfte für das eigene Unternehmen zu begeistern. Wie gelingt es also, die richtigen Mitarbeitenden zu finden, zu erreichen und langfristig an sich zu binden? Die Frage stellt sich nicht nur für Handels- und FMCG-Unternehmen. In den meisten Arbeitsbereichen haben sich die Anforderungen im Zuge der Digitalisierung geändert, fachlich wie auch menschlich.
Überall werden digitalaffine Führungskräfte gesucht, die Teams für neue Themen begeistern, sich schnell in neue Bereiche einarbeiten, scheiternde Projekte verkraften sowie transparent und offen kommunizieren. Hinzu kommt: Nur wer die Tragweite, Einsatzgebiete und Wechselwirkungen mit dem eigenen Geschäftsmodell aus Managementsicht versteht und auf die individuellen Anforderungen des Unternehmens herunterbricht, kann seine Mannschaft ausrichten und führen. Dafür werden Allroundtalente benötigt.
Gefragt sind also solche Führungspersönlichkeiten, die die Transformation vorantreiben. Wir brauchen Menschen, die die Belegschaft aus der Komfortzone herausholen und für Veränderung begeistern können. Und das sind im Grunde immer die gleichen Typen: neugierig, intelligent und aufgeschlossen, aber auch in der Lage, mal einen Misserfolg wegzustecken. Es ist klar: Wir entwickeln neue Dinge und es geht viel schief – deshalb sollte man auch scheitern können. Außerdem ist es wie gesagt wichtig, offen kommunizieren zu können. Entscheidungen hinter verschlossenen Türen zu treffen, das ist nicht mehr en vogue. Heute bindet man Beschäftigte ein, zum Beispiel mit Townhalls in der Cafeteria.
Wie muss sich ein Unternehmen präsentieren, um attraktiv zu sein und sich von den Wettbewerbern zu differenzieren?
Tim Oldiges: Der Arbeitsmarkt war noch nie so heiß wie jetzt. Gute Leute bekommen viele Anfragen und sie wollen vor einem Wechsel sehr viel wissen. Für Arbeitgeber ist es daher unerlässlich, die richtige Story zu entwickeln: Wo sie herkommen, wo sie hinwollen und was der individuelle Beitrag des gesuchten Kandidaten sein kann. Wir helfen unseren Auftraggebern dabei, ein authentisches Bild zu zeichnen. Denn man bezahlt doppelt, wenn man dem Kandidaten etwas vorgaukelt und er oder sie kurze Zeit später enttäuscht wieder aussteigt. Hinzu kommt, dass im Handels- und FMCG-Bereich manche Profile einfach nicht mehr gefragt sind und dadurch Erneuerungsbedarf die angespannte Arbeitsmarktsituation zusätzlich anheizt.
Unternehmen müssen an ihrer eigenen Kultur arbeiten und das ist schwieriger, als man sich das vorstellt. Wir brauchen eine Kultur, in der mündige Mitarbeitende eigenständig mitentscheiden können und in der Menschen, die wirklich wollen, einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmen leisten können. Wenn wir, bzw. die Bewerberinnen und Bewerber, das fühlen, dann gehen sie gerne zur Arbeit. Denn in starren, hierarchischen Strukturen fühlt sich heutzutage kaum noch jemand wertgeschätzt. Und wenn ein Unternehmen im Recruiting-Prozess dann noch zeigen kann, welche Weiterbildungsmöglichkeiten es gibt – fachlich wie persönlich – dann gewinnen sie nachhaltig neue Beschäftigte. Inzwischen kommt es immer weniger auf die materiellen Dinge an. Trotz allem muss gute Arbeit auch fair bzw. attraktiv entlohnt werden.
Umgekehrt: Was müssen Sie tun, um auch in Zukunft als Headunter attraktiv zu bleiben?
Tim Oldiges: Die wichtigste Fähigkeit, um als Headhunter erfolgreich zu sein, ist es, Kandidatinnen und Kandidaten zu begeistern. Denn schlussendlich ist Headhunting eine Art Verkaufsprozess. Früher war der Job sehr geheimnisvoll, aber heute bekommen Top-Manager ständig Angebote. Wenn wir sie gewinnen wollen, müssen wir Emotionen wecken.
Zudem gilt in der Branche: Der Schnelle frisst den Langsamen. Je langsamer ich bin, desto mehr Störfaktoren können das Recruiting gefährden: Zum Beispiel kann der Ehepartner es sich anders überlegen, oder es gibt ein alternatives Angebot – oder der bisherige Arbeitgeber bietet mit neuer Perspektive eine Gehaltserhöhung.
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Titelbild: © Headgate GmbH (links) / © iStock | ipopba (rechts)
+++ Wir bedanken uns bei Tim Oldiges für das offene und sehr interessante Interview! Was zeichnet Sie als Arbeitgeber aus? Wo liegen Ihre Stärken? Welche zeitgemäßen HR-Prozesse bieten Sie? Wenn auch Sie Ihre Konzepte und Maßnahmen vorstellen möchten, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „HR-Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++