„Bio reicht uns nicht“ – Gründerinnen Leonie Berents und Silja Mende-Kamps über abgefüllt.
Silja Mende-Kamps und Leonie Berents sind die Gründerinnen des nachhaltigen Weinkonzepts „abgefüllt.“. Mit ihren #pioneerwines wollen sie zum Umdenken anstoßen. Dabei sehen sie sich selbst als „Rebolutionärinnen“. Mit ihrem Wortspiel aus „Rebe“ und „Revolution“ beschreiben sie ihre Idee, Bio-Wein in Mehrwegflaschen zu verkaufen und dabei den gesamten Kreislauf regenerativ und klimapositiv umzusetzen. Sie betonen, dass Bio allein nicht ausreicht und dass ein Umdenken in der gesamten Wertschöpfungskette notwendig ist.
Im Interview sprechen wir mit den beiden Kölnerinnen darüber, wie sie ihr Konzept umsetzen und welche Rolle sie in der Bewegung zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz spielen möchten.
Stellen Sie sich bitte kurz vor, was ist Ihre Aufgabe bei abgefüllt.?
Leonie Berents: Wir sind beide Gründerinnen und gleichberechtigte Geschäftsführerinnen von abgefüllt. Im Prinzip gibt es kaum einen Schritt, den wir nicht gemeinsam durchdenken. Während Silja bei uns aber schwerpunktmäßig Design, Logistik und Pflege unseres Partnernetzwerks innehat, bin ich eher strategisch-konzeptionell unterwegs mit Fokus auf Geschäftsentwicklung und Vertrieb. Unsere Two-Woman-Show führt natürlich zwangsläufig dazu, dass wir uns viele operative Themen wie bspw. Marketing teilen.
Welche Expertise bringen Sie mit? Waren Sie vorher schon in der Weinindustrie tätig?
Leonie Berents: Wir bringen keine klassische Wein-Vita mit, sondern mehrere Jahre branchenübergreifender Erfahrungswerte zur Umsetzung komplexer Veränderungsprojekte sowie Wissen über nachhaltige Wertschöpfung. Uns vereint der stete Drang, uns bewegende Themen in der Tiefe zu verstehen und dafür Lösungen anzubieten. Daher haben wir ein ganzheitliches Verständnis von Markt- und Umweltdynamiken gepaart mit einem zukunftsorientierten Blick für Bedarfe im Gepäck.
Mit Ihren #pioneerwines wollen Sie zum Umdenken anstoßen. Was ist die zentrale Idee hinter abgefüllt.?
Silja Mende-Kamps: abgefüllt. ist ein nachhaltiges Weinkonzept, das jeden Step der Wertschöpfung von Wein auf seine regenerative Kraft hin beleuchtet. Wir möchten das Bewusstsein der Menschen dahingehend schärfen, selbstverantwortlich bessere Entscheidungen für eine lebenswerte Zukunft treffen zu können. Das geschieht auf einer ökologischen, aber auch auf einer ökonomischen und sozialen Ebene. Dahinter steckt der Gedanke, Dinge, die uns umgeben, bewusst wahrzunehmen und innere Haltungen zu hinterfragen. Stehen unsere #pioneerwines auf dem Tisch, kommen direkt mehrere Gesprächsthemen zusammen: Gesellschaftliche und ökologische Gewohnheiten werden hinterfragt, Denkmuster und Weinmythen überwunden, eigene Sinne bewusst wahrgenommen.
Wie genau gehen Sie das Thema an?
Leonie Berents: Unsere #pioneerwines dienen als Vorbildsprodukt nachhaltigen Wirtschaftens und sprechen die Endverbraucher:innen in ihren Werten von Authentizität, Transparenz und Vielfalt an. Eingebettet ist das Ganze jedoch in eine größere Initiative des „The Circle of Pioneers“ – ein durch uns aufgebautes Netzwerk von Menschen, deren Kollaboration auf unser Konstrukt einer Circular Economy einzahlt. Wir stehen in Zeiten veränderten Konsumverhaltens und verantwortungsvolles Handeln ist längst zur Prämisse geworden. Gleichzeitig spüren Unternehmen den steigenden Druck regulatorischer Anforderungen und nötiger Umweltstandards. Durch den Zugang zu Wissen, geteilten Ressourcen und den Aufbau von wertstiftenden Kollaborationen möchten wir ganz grundsätzlich zirkuläre Ansätze mit geteilten Ressourcen fördern. In diesem Jahr werden wir die Teilhabe auf ein nächstes Level heben und sichtbarer machen.
Stichwort Greenwashing: Der Bio-Stempel allein reicht Ihnen nicht. Sie packen mit Ihrem Start-up den gesamten Kreislauf an. Was genau sind da Ihre Visionen?
Silja Mende-Kamps: Wir können gern noch Pink- und Bluewashing hinzufügen. Unsere Kund:innen und Partner:innen sollen einfach wissen, worauf sie vertrauen dürfen. Wir arbeiten biodynamisch, da wir dies als einzig ganzheitlich ökologische Bewirtschaftungsform verstehen. Wir arbeiten ausschließlich in einem aufgeschlossenen, visionärem Umfeld, da uns nur das echten Fortschritt ermöglicht.
Unsere Vision ist somit, ein starkes Netzwerk mit echtem Impact für die Zukunft zu gestalten. Das klingt wahrscheinlich erstmal abstrakt, letztlich lässt sich aber alles darauf zurückführen. Weg von Linearwirtschaft, hin zum Schließen von Stoffkreisläufen. Weg von tradiertem Denken, hin zu echter Veränderungsbereitschaft. Solange in Deutschland noch primär Importwein getrunken oder Menschen offen diskriminiert und benachteiligt werden, haben wir genug Themen.
Mit welchen Winzern arbeiten Sie zusammen? Worauf achten Sie bei der Auswahl?
Silja Mende-Kamps: Für die Entstehung unserer #pioneerwines arbeiten wir ausschließlich mit einem biodynamisch wirtschaftendem Winzer aus Baden zusammen. Für den Wissenstransfer und projekthafte Zusammenarbeit auch mit diversen weiteren Winzer:innen, bspw. aus Rheinhessen und dem Rheingau. Uns ist bei all unseren Partner:innen ein zukunftsorientiertes Denken gepaart mit Umsetzungskraft, Verbindlichkeit und weltoffenem Mindset wichtig, damit wir vertrauensvolle Beziehungen schaffen können.
Welche Weine haben Sie momentan schon im Portfolio? Und was zeichnet diese aus?
Silja Mende-Kamps: Wir arbeiten limitiert und saisonal, um für Wein als Naturprodukt zu sensibilisieren. In der ersten Auflage haben wir einen Roten (Regent, Prior) und einen Weißen (Johanniter, Souvignier Gris) sowie einen Crémant Brut Nature auf den Markt gebracht. Spätestens im Mai wird es von unseren #pioneerwines eine Neuauflage mit neuen Jahrgängen geben sowie einen sommerlichen Rosé und einen Vintage Orange. Wir legen hier den Fokus absolut auf Piwi-Reben, da sie durch den Verzicht auf Spritzmittel und Bodenbelastung unsere klimafreundlichste Lösung darstellen. Unsere Weine stehen durchweg für Low Intervention und gelangen daher nach der Handlese so naturnah wie möglich in die Flasche. Das spiegelt sich auch im vielfältigen Aromenprofil wider.
Wen möchten Sie mit Ihren Produkten ansprechen?
Leonie Berents: Vor uns steht eine absolut aufgeklärte, junge Generation, die bewusst und guten Gewissens konsumieren oder auch verschenken möchte. Unsere Weine werden von denjenigen gekauft, die sich mit unseren Werten identifizieren und längst verstanden haben, dass diese Form des Wirtschaftens auch einen anderen Preis mit sich bringt. Es geht weniger um Besitz, sondern vielmehr um nachhaltigen Zugang. Gleichzeitig stoßen wir auch eine ältere Generation an, die sich um Wissen bereichert fühlt, um sich von Traditionen zu verabschieden und künftig bewusstere Entscheidungen treffen zu können. Wir möchten Wein zugänglich für jeden machen und ihn aus seiner langen Gefangenschaft der Dogmen und Klischees befreien. Deshalb sprechen wir auch von einem modern taste of wine.
Wo kann man Ihre Kreationen im Moment überall erwerben?
Silja Mende-Kamps: Im Direktvertrieb gibt’s unsere Weine online im eigenen Shop (www.abgefuellt-wein.de) oder auf Events. Stationär sind sie über unsere Partner:innen im Wein-/Fachhandel, exklusivem LEH, einigen Concept Stores und in der Gastro sowie Bars zu finden. Auf mobilem Wege finden sie auch lokal via eBike zu euch.
Was dürfen wir in Zukunft noch von Ihrer “Rebolution” erwarten?
Leonie Berents: Mit Sicherheit weiterhin viel Tatendrang für Innovationsimpulse und stetes Hinterfragen des Gegebenen. Als Pioniere im Aufbrechen alter Branchenstandards. Als Befähigerinnen für die ersten Schritte zu mehr Nachhaltigkeit. Als Vermittlerinnen im Wissenstransfer an Hochschulen, Verbänden und Business Netzwerken. Als Förderinnen für Gleichberechtigung und Vielfalt. Und wie wir so häufig gespiegelt kriegen – offenbar auch als weibliche Gründerinnen und Lebenspartnerinnen durch ein mutiges Vorbild für Folger:innen. So schmeckt Zukunft.
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+++ Wir bedanken uns bei Leonie Berents und Silja Mende-Kamps für das offene und sehr interessante Interview! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++