Bierothek: Gründer Christian Klemenz über den Ausbau zum offenen Marktplatz für Brauereien
2013 gründete Christian Klemenz in Bamberg die Bierothek®. Was dann ein Jahr später mit einem ersten stationären Bierladen in der Altstadt begann, hat sich mittlerweile zu einem der führenden Fachhändler für Bierspezialitäten entwickelt. Mit heute knapp 20 Filialen in Deutschland und Österreich sowie einem eigenen Online Shop ist das Sortiment ständig in Bewegung. 2021 hat die Bierothek insgesamt fast 5.000 verschiedene Biere verkauft. Und damit soll längst noch nicht Schluss sein: Der Online Shop wird gerade zu einem offenen Marktplatz für Brauereien ausgebaut.
Was es mit diesem Marktplatz auf sich hat und wie er funktioniert, erzählt Gründer und Geschäftsführer Christian Klemenz im Interview. Zudem spricht er über die Digitalisierung und den Auf- und Ausbau des eigenen Fulfillments.
Zurück ins Jahr 2013/2014: Wie ist die Bierothek damals entstanden?
Christian Klemenz: Noch bevor die Craftbier-Welle in Deutschland ins Rollen geriet, gründete ich 2011 noch als Student die Biermarke St. ERHARD. Durch das Exportgeschäft sind wir mit Craftbier-Händlern im Ausland in Kontakt gekommen und haben dabei festgestellt, dass es zu dieser Zeit in Deutschland noch keine auf dieses Marktsegment spezialisierte Handelskette gab.
So entstand im Sommer 2013 die Idee zur Bierothek. Wir wollten einen echten Fachhändler für Bierspezialitäten etablieren. In den darauffolgenden Monaten haben wir dann die Marke eingetragen, das Konzept entwickelt und eine erste Immobilie an unserem Stammsitz in Bamberg gesucht. Während der WM 2014 eröffnete dann die erste Bierothek-Filiale in der Bamberger Altstadt.
Wie hat sich die Bierothek von damals bis heute entwickelt?
Christian Klemenz: Gestartet sind wir damals mit einem ersten stationären Einzelhandelsgeschäft. Nach weniger als einem Jahr eröffneten dann schon die zweite und die dritte Filiale in Erlangen und Nürnberg. Heute betreiben wir knapp 20 Filialen in Deutschland und Österreich, sind Großhändler und betreiben einen der größten Online Shops für Bier, der gerade auch noch zum Marktplatz ausgebaut wird.
Welche Meilensteine sind in der Entwicklung zu nennen?
Christian Klemenz: Die meisten wichtigen Meilensteine, die man von außen gar nicht sieht, waren und sind die kontinuierliche Etablierung unserer eigenen IT-Infrastruktur. Wir haben früh damit begonnen, uns ein eigenes technisches System aufzubauen, das miteinander vernetzt ist, um Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Wir haben z.B. eine eigene Kassen-Lösung für die Filialen entwickelt, die eng an alle anderen Bereiche wie Lagerverwaltung, Online Shop etc. angebunden ist. Wir haben allgemein einen hohen Digitalisierungsgrad und verstehen uns auch in gewisser Weise als technischer Plattform-Betreiber.
Bei den Ladengeschäften setzen Sie auf ein Franchise-Konzept. Warum haben Sie sich dafür entschieden und wie läuft sowas ab?
Christian Klemenz: Die erste Franchise-Anfrage kam früh von allein auf uns zu und dann haben wir es einfach mal ausprobiert. Als wir dann gemerkt haben, dass es in diesem Modell eigentlich gut funktioniert und wir mit wachsender Größe uns auch auf gewisse Kernaufgaben fokussieren mussten, haben wir strategisch entschlossen den Betrieb komplett auf dieses Modell umzustellen.
Wir stellen die Plattform und alles Wesentliche zum Betrieb einer Bierothek-Filiale zur Verfügung und unsere Franchise-Nehmer vor Ort agieren dann als selbstständige Kaufleute und können auch individuell auf die Bedürfnisse der Stadt bzw. Region eingehen.
Neben den Ladengeschäften gibt es den oben schon genannten Online Shop. Wie viele Biere sind insgesamt verfügbar?
Christian Klemenz: Da jede Filiale auch ein individuelles Sortiment hat und lokale Biere selbst einkauft, kommt Bierothek-übergreifend über alle Filialen und das Zentrallager hinweg eine stattliche Zahl zusammen. Im vergangenen Jahr 2021 haben wir nach einer internen Erhebung 4.972 verschiedene Biere verkauft.
Durch den ständigen Wechsel in unserem Sortiment kamen letztes Jahr zum Beispiel schon allein 724 Biere neu ins Sortiment. Wir haben es also mit wirklich vielen Biere übers Jahr zu tun und diese Komplexität zu handeln ist dabei unser Job, auf den wir spezialisiert sind.
Sie haben eben schon gesagt, dass der Online Shop zum offenen Marktplatz für Brauereien ausgebaut wird. Was bedeutet das?
Christian Klemenz: Wir haben gerade in der Corona-Zeit gemerkt, dass viele Brauereien gerne einen digitalen Verkaufskanal hätten, es aber für viele keinen Sinn macht, viel Geld und Aufwand in einen eigenen Online Shop zu stecken. Daher war es für uns logisch und folgerichtig, dass wir entschieden haben für diese Brauereien einen offenen Marktplatz zu bauen, damit solche Brauereien ihre Biere über unsere Plattform online verkaufen können, auch wenn die Biere nicht in unserem Zentrallager gelistet sind.
Welche Vorteile bringt dieser Ausbau konkret für die Brauereien, die Endkunden, aber auch für Sie?
Christian Klemenz: Für viele Brauereien ist es die Möglichkeit, direkte Kundenbeziehungen aufzubauen und ihr Bier zu höheren Margen direkt an Endkunden zu verkaufen. Der Endkunde bekommt dadurch eine noch breitere Auswahl und uns als Bierothek macht es noch mehr zur ersten Anlaufstelle in Sachen Bier.
Wie läuft eine Neulistung in diesem Marktplatz ab? Versenden die Brauereien die Produkte selbst?
Christian Klemenz: Grundsätzlich steht der Marktplatz erstmal allen qualitätsorientierten Brauereien offen. Wir entwickeln gerade auch noch ein eigenes Backend für die Brauereien, dass diese ihr Profil und ihre Produkte dort direkt selbst digital einlisten können. Bis dieses von uns als Hopnet bezeichnete Backend online ist, kann man sich auch einfach via E-Mail (marktplatz@bierothek.de) an uns wenden.
Wenn eine Brauerei noch keinen Paketversender hat, kann sie auch unseren DHL-Vertrag mit nutzen und bekommt von uns das entsprechende Label gestellt. Die Brauereien müssen dann beim Bestelleingang nur das entsprechende Paket packen und mit dem Label versehen. Wir kümmern uns dann um Abholung und alles darum herum.
Sie bauen im Bereich des Fulfillments auch ordentlich aus. Erzählen Sie uns davon!
Christian Klemenz: Da wir in unserem Zentrallager bei Bamberg eine für den Einzelversand von Bier hoch spezialisierte Logistik aufgebaut haben, haben wir mittlerweile auch zahlreiche Kunden in diesem Bereich, die unser eigenes Versandhandelsgeschäft ergänzen und uns durch das steigende Volumen noch mehr Skaleneffekte bringen.
Von welcher Größe sprechen wir hier? Zählt das Versandlager zu den größten für Bier in Deutschland?
Christian Klemenz: Pro Woche verschicken wir eine vierstellige Anzahl von Biersendungen. Damit ist unser Zentrallager vermutlich eines der größten auf Bier spezialisierten Versandläger in Deutschland, ja.
Wer sind die Kunden, für die Sie die Logistik abwickeln? Bilden Sie die gesamte Logistikkette ab?
Christian Klemenz: Unsere Fulfillment-Kunden sind Brauereien, Verbände, Biersommeliers, Bier-Wettbewerbe etc. In Sachen Bier können wir ihnen dabei alles aus einer Hand anbieten – vom Einkauf über die Lagerung und Kommissionierung bis hin zum Versand.
Nachhaltigkeit wird immer wichtiger: Gibt es Kennzahlen, die Effizienz, Nachhaltigkeit und Kosteneinsparungen darstellen?
Christian Klemenz: Nachhaltigkeit spielt schon seit Längerem eine große Rolle bei uns. Wir sind seit vergangenem Jahr ein klimapositives Unternehmen, verwenden ausschließlich Öko-Strom und verzichten weitestgehend auf Plastik.
Um den CO2-Fußabdruck der einzelnen Artikel noch transparenter zu machen, haben wir gemeinsam mit der Handelshochschule Leipzig (HHL) vor Kurzem auch einen „Beer Climate Score“ entwickelt. Dieser zeigt den Kunden in Form einer Ampel an, wie groß der Einfluss aufs Klima beim Kauf eines bestimmten Bieres ist. Unser „Bier pflanzt Bäume“-Programm erlaubt es unseren Kunden zusätzlich, sich für den Klimaschutz zu engagieren.
Quo vadis, Bierothek? Können sich aus den jetzigen Entwicklungen weitere Veränderungen ergeben?
Christian Klemenz: Wir wollen und werden weiter den Weg beschreiten, uns zu der Technologie-Plattform für Brauereien und Biertrinker zu entwickeln. Unsere technologische Entwicklung ist darauf ausgelegt, dass wir flexibel verschiedenste Partner an unser System anbinden können.
So entwickeln wir z.B. gerade eine Schnittstelle, die es Brauereien mit eigenem Online Shop ermöglicht über eine API ihre Aufträge direkt in unsere Lagerverwaltung zu pushen, so dass wir automatisiert das komplexe Fulfillment übernehmen können. Außerdem schalten wir gerade immer mehr Auslandsmärkte auf. In Schweden haben wir bereits den komplexen Prozess durchlaufen, um legal dorthin Versandhandel mit Bier zu betreiben. Viele weitere europäische Länder werden in den nächsten Quartalen noch folgen.
Bierothek | bierothek.de | instagram.com/diebierothek | facebook.com/DieBierothek
+++ Wir bedanken uns bei Christian Klemenz für das offene und sehr interessante Interview! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++