Mut zu neuem Arbeitsmodell: Mario Klütsch über die 4-Tage-Woche bei Viva con Agua
Was braucht es, um als Arbeitgeber im Jahr 2025 attraktiv zu sein? Für die Viva con Agua Wasser GmbH ist die Antwort klar: Mut zu neuen Wegen, Offenheit für Feedback und eine konsequente Orientierung an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden. 2024 hat man mit der 4-Tage-Woche – weniger Arbeitszeit bei vollem Gehalt – den konventionellen Weg verlassen und ein neues Arbeitsmodell getestet. Seit 2025 gilt das Modell für alle Mitarbeitenden.
Mit Mario Klütsch, Managing Director der Viva con Agua Wasser GmbH, haben wir im Interview darüber gesprochen. Er erzählt von den Erkenntnissen aus der Testphase, der Einführung der 4-Tage-Woche und dem zugrunde liegenden 100/80/100-Modell. Zudem erklärt er, wie es gelingt, hohe Leistungsfähigkeit mit mehr Freiraum und Selbstbestimmung zu verbinden – und warum diese Transformation bislang ein voller Erfolg ist.
Viva con Agua geht in Sachen „New Work“ neue Wege. Aber gehen wir zuerst mal einen Schritt zurück: Wie sahen Eure Arbeitsmodelle bislang aus?
Mario Klütsch: Wir haben bisher mit dem Modell einer klassischen 5-Tage-Woche à 40 Std. gearbeitet. Durch Vertrauensarbeitszeit konnte sich unser Team innerhalb dieses Rahmens sehr frei bewegen.
Foto: Stefanie Thiele
Von welchen Benefits konnten Eure Mitarbeitenden da schon profitieren?
Mario Klütsch: Bevor wir das Thema Wochenarbeitszeit angepackt haben, waren wir wenig innovativ. Das passt eigentlich nicht zu uns, weil wir in vielen Bereichen Themengebiete anders angehen als in der Branche üblich. Dabei geht es nicht darum zwanghaft Sachen anders machen zu müssen, sondern vielmehr Chancen und Nischen zu nutzen, um uns stets weiterzuentwickeln.
Woher kam dann die Idee zur 4-Tage-Woche?
Mario Klütsch: Wir leben einen partizipativen Führungsstil. Die Teilhabe von Mitarbeitenden an der Ideen- und Entscheidungsfindung ist bei uns wichtiger Bestandteil der Organisationsentwicklung. Entsprechend kam auch hier der Impuls von unseren Mitarbeitenden und wir haben dann mit dem Führungsteam den Ball aufgenommen, um uns intensiv und ganzheitlich mit dem Thema zu beschäftigen.
Foto: Viva con Agua
Wie lange habt Ihr das Modell getestet? Und wie und wann habt Ihr entscheiden, es voll und ganz bei Euch zu implementieren?
Mario Klütsch: Wir sind Anfang 2024 in die Vorbereitung gegangen, haben Studien ausgewertet, mit anderen Unternehmen gesprochen und unsere Mitarbeitenden in den kompletten Aufbauprozess mit einbezogen. Im Sommer 2024 startete unser Pilot mit einer halbjährigen Testphase, inklusive regelmäßiger Feedbackschleifen und Iterationen. Mit all den Learnings läuft das Modell nun seit Anfang 2025 für alle Mitarbeitenden jeglichen Fachbereichs und Arbeitszeitmodells.
Wie genau sieht das Modell für die Mitarbeitenden nun aus?
Mario Klütsch: Das Modell basiert maßgeblich auf dem Feedback unseres Teams und vereinbart gezielten Arbeitszeitfokus mit Flexibilität für außerberufliche Aktivitäten. Das zugrundeliegende Prinzip ist als 100/80/100-Modell bekannt. Dabei verfolgen wir 100% Zielerreichung in 80% der Zeit bei 100% Gehalt.
Ganz konkret bedeutet dies bei uns, dass wir die Arbeitszeit von 40 Std. pro Woche auf 32 Std. reduziert haben. Dabei kann das Team wöchentlich frei wählen 5 Tage à 6,4 Std. oder 4 Tagen à 8 Std. zu arbeiten. Nutzen Mitarbeitende die 4-Tage-Woche, bilden Dienstag bis Donnerstag unsere Kernarbeitstage, während Montag und Freitag für freie Tage genutzt werden können.
Foto: offenblende.de
Wie wirkt sich das auf die Motivation und den Arbeitsalltag aus?
Mario Klütsch: Unser Team wertschätzt die neue Freiheit sehr und spiegelt uns, dass die gewonnene Zeit ein hohes Maß an Motivation und Energie, aber auch Verantwortung mit sich bringt. Der Wert dieser Zeit veranlasst wiederum, noch mehr Fokus und Effizienz in die verbleibende Arbeitszeit zu bringen.
Viele fragen sich bestimmt: Bedeutet das keine Flut von Überstunden? Ist Chaos nicht vorprogrammiert? Habt Ihr Eure Ziele dadurch nicht verfehlt?
Mario Klütsch: Tatsächlich haben im Großen und Ganzen unsere formellen wie informellen Überstunden im Durchschnitt nicht zugenommen. Lediglich beim Führungsteam müssen wir nachschärfen, auch hier sind wir optimistisch. Den Grundstein dazu haben wir während unserer Vorbereitung gelegt und nutzen auch jetzt noch kontinuierlich Feedbackschleifen. Denn klar ist auch, auf Knopfdruck Effizienzen einzufordern, ohne den Rahmen zu verändern kann nicht funktionieren.
Wir haben uns daher bemüht sämtliche Steine umzudrehen, um aus organisatorischer Sicht das Team zu befähigen, die Leistung bestmöglich abzurufen. Dazu gehören u.a. klare Zielstruktur, kritische Überprüfung potenzieller Zeitfresser, professionelle Moderation und bessere Strukturierung bestehender Meetings inkl. konsequentem Zeit- und Wissensmanagement sowie die Optimierung unsers CRM-Systems und gemeinsame Fokuswochen. Gleichzeitig haben wir unser Team noch besser mit dem Thema Selbstorganisation und -führung vertraut gemacht.
Ein großartiger Erfolg für uns und ein Indikator, dass wir auf dem richtigen Weg sind, belegt auch unsere Zielerreichung. Diese hat in keiner Weise gelitten. Im Gegenteil scheinen auch hierfür neue Energien und zusätzliche Motivation freigesetzt worden zu sein, diese sehr erfolgreich in weniger Zeit zu erreichen. Die Zielerreichung fand in 2024 einen neuen Bestwert.
Foto: Melanie Haas
Braucht es Deine Meinung noch solch innovative Modelle, um sich um Arbeitsmarkt abzusetzen und vielleicht auch neue Mitarbeitende zu finden?
Mario Klütsch: Auch mein Team und ich sind darauf bedacht, konsequent bestmögliche Leistung abzurufen. Immerhin haben wir mit dem finanziellen Erfolg unserer Arbeit einen direkten Einfluss auf die gemeinnützige Projektarbeit von Viva con Agua, Menschen den Zugang zu Trinkwasser zu ermöglichen. Gleichzeitig stehen uns nicht dieselben Ressourcen wie von anderen Marktteilnehmer*innen zur Verfügung, auch weil wir unsere finanziellen Mittel konsequent in Richtung Gemeinnützigkeit lenken.
Es braucht bei uns daher einen balancierten Mix aus intrinsischer Motivation, Performance Orientierung und attraktiven organisationalen Rahmenbedingungen. Bei Letzterem haben wir mit der Verkürzung der Arbeitszeit sicherlich ein hochattraktives Modell für bestehende und zukünftige Mitarbeitende gefunden.
Was empfiehlst Du anderen Unternehmen, die jetzt neugierig geworden sind?
Mario Klütsch: Das Modell ist kein Selbstläufer und auch keine Patentlösung. Es gibt Branchen und Berufe, in denen eine solche Umstellung schlichtweg unmöglich ist. Gleichzeitig spüre ich meist im C-Level-Bereich viel Furcht vor solch einem Schritt vor dem Hintergrund, eine Entscheidung in die Richtung sei möglicherweise unumkehrbar. Dafür helfen jedoch klare Rahmenbedingungen und ein konsequentes Erwartungshaltungsmanagement.
Zudem ist Besitzstand wahren selten eine gute Lösung für die Zukunft. Für Neugierige stehe ich gerne zum Sparring zur Verfügung. Auch das ist unsere Kultur: Gemeinsam Brücken für ein gutes Miteinander statt Gräben für ein Gegeneinander bauen.
Foto: Heike Greiner
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Credits Titelbild: offenblende.de (links) / Timo Voß (rechts)
+++ Wir bedanken uns bei Mario Klütsch für das offene und sehr interessante Interview! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++