„2022 war ein Rekordjahr“: Brauerei-Direktor Prof. Dr. Josef Schrädler über Weihenstephan
Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan blickt auf ereignisreiche und herausfordernde Jahre zurück. 2022 hoffte man wieder in ruhigere Fahrwasser zu steuern. Das ist mehr als gelungen, wie das Rekordjahr zeigt.
Im Interview spricht Prof. Dr. Josef Schrädler, Direktor der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan, über die Bilanz, die Pläne für dieses Jahr sowie das Thema Digitalisierung.
Herr Schrädler, wie geht es der Brauerei Weihenstephan nach der Corona-Krise?
Prof. Dr. Josef Schrädler: Wir sind überraschend gut aus dieser Zeit herausgekommen. Natürlich hat uns der Start ins Jahr 2021, damals noch mit dem Lockdown, eher pessimistisch gestimmt. Jetzt, knapp zwei Jahre später, können wir allerdings ganz anders darauf zurückblicken.
Woran liegt das?
Prof. Dr. Josef Schrädler: Wir waren nicht tatenlos. In der Zeit der Corona-Pandemie haben wir viel an internen Betriebsabläufen gearbeitet, neue Systeme eingeführt, generell die Digitalisierung im Betrieb vorangetrieben. Bildlich gesprochen haben wir auch den letzten Quadratmeter der Brauerei digital abgebildet – vom Bierbrauen bis zur Auslieferung. Dadurch konnten wir die Leistung der Brauerei massiv steigern, den Effekt daraus haben wir schon 2021 gespürt, 2022 noch viel mehr. Wir sind mit einem für ein Krisenjahr sehr guten Ergebnis aus 2021 herausgekommen, das schließlich über 2019 lag. Und dann kam 2022..
… mit dem Ukrainekrieg.
Prof. Dr. Josef Schrädler: Richtig – deshalb waren wir zu Beginn des Jahres auch wieder eher pessimistisch. Drei Tage nach Kriegsbeginn haben wir schon unser Russland-Geschäft eingestellt – das war für uns alternativlos. Durch diesen Wegfall haben wir allerdings auch sieben bis acht Prozent unseres gesamten Absatzes verloren. Das zu kompensieren war nicht einfach.
Wegen den erhöhten Energiepreisen?
Prof. Dr. Josef Schrädler: Nicht nur das – die Energiekrise führte zu enormen Preissteigerungen bei nahezu allen Produktionsfaktoren, wie Rohstoffe, Verpackungsmaterial, Reinigungsmittel etc. – da kam und kommt momentan einfach viel zusammen. Das große Problem, was damit aber auch einherging, war die Verfügbarkeit, beispielsweise von Kartonagen. Hier mussten wir teilweise vier bis fünf Monate im Voraus zu sehr hohen Preisen bestellen, was die Planung natürlich nicht einfacher machte. Das haben wir schon deutlich gespürt. Geholfen hat hier unser Logistikzentrum – dadurch konnten wir nicht nur unser Bier bevorraten, sondern auch Kartonagen. Aber das Russland-Geschäft konnte nicht allein durch vorausschauende Planung aufgefangen werden.
Sondern?
Prof. Dr. Josef Schrädler: Durch andere Länder, die das Defizit ausgeglichen haben. Wir sind im Export zumindest in Sachen Volumen eher westlich orientiert – in den USA haben wir zum Beispiel ein starkes Umsatzplus geschrieben, auch Italien und Österreich meldeten sich dank einer größtenteils normalen Wintersaison zurück. Blickt man in Richtung Osten, springt Israel ins Auge. Auch dort sind wir wieder stark gewachsen, haben mittlerweile einen Marktanteil von 48 Prozent am Import-Weißbiermarkt. Generell sind wir mit 54 Ländern stark aufgestellt, weshalb wir die Krisenjahre mit unserer Strategie allerdings ganz gut auffangen konnten – und es immer noch tun. Wir sind natürlich auch in Sachen Werbung weitere Schritte gegangen.
Die neue „Klingt gut“-Kampagne haben wir herausgebracht, neue digitale Formate wie unser Podcast „1000 Jahre Bier“ wurden eingeführt. Und den Effekt aus all diesen Maßnahmen konnte man spüren: Wir haben in 2022 ein besseres Ergebnis erreicht, als ursprünglich erwartet, sowohl was den Umsatz als auch den Gewinn betrifft. Wir haben auch das Rekordjahr 2018 übertroffen. Das wollten wir uns eigentlich für 2023 vornehmen (lacht).
Aber ganz ernsthaft: Wir haben 2022 viel erreicht. Von unzähligen Preisen wie den für die „beste große internationale Brauerei“ bei den Australian International Beer Awards bis hin zu wunderbaren neuen Gastronomie-Objekten. Da darf man ruhig auch einmal zurückblicken und stolz auf das ganze Team hier sein.
Welche Rolle hat dabei der nationale Markt gespielt?
Prof. Dr. Josef Schrädler: Eine große – die erwähnten neuen Gastronomie-Objekte, eine erhöhte Distribution im Handel, zudem verschiebt sich der Markt weiter in Richtung untergärige Biere. Hier konnten wir mit unserem Hellen punkten, das wir in der Pandemie eingeführt haben und heuer als 0,33er-Variante rausgebracht haben. Aber klar: Den größten Schritt haben wir vor allem in der Gastronomie gemacht.
Wird’s 2023 so weitergehen?
Prof. Dr. Josef Schrädler: Wenn wir eines aus den vergangenen Jahren gelernt haben, dann ist es, dass Prognosen immer schwieriger werden. Allerdings kann man schon sagen, dass wir einiges vorhaben. 2022 konnten wir die neue Filtration in Betrieb nehmen, die nicht nur umweltfreundlicher arbeitet, sondern auch schneller. Für 2023 steht die nächste große Investition an – in den Dezemberwochen haben wir die Verträge für unser neuestes Bauvorhaben abgeschlossen. Auf dem Gelände der alten Logistik, gleich neben der Fassabfüllung, entsteht unser neuer Lagerkeller.
Hier entstehen zusätzliche Kapazitäten für ca. 200.000 Hektoliter pro Jahr. Das heißt aber nicht, dass wir das alles sofort nutzen werden (lacht). Es sind mehrere Ausbaustufen geplant. In erster Linie gibt uns das mehr Flexibilität, die Wege zu den einzelnen wichtigen Abteilungen wie Fass- und Flaschenabfüllung, Filtration und Entalkoholisierung werden kürzer, wir werden wieder ein Stück effizienter und nachhaltiger. Das ist ohnehin ein zentrales Thema für uns geworden, weshalb wir in diese Richtung weiter investieren werden.
Wie genau fügt sich hier Ihre Umwelterklärung ein?
Prof. Dr. Josef Schrädler: Damit verpflichten wir uns selbst, weiter nachhaltiger zu arbeiten und die Abläufe laufend zu optimieren. Aktuell laufen die Arbeiten für Photovoltaik-Anlagen auf dem Logistikzentrum sowie den Brauereigebäuden. Gerade beim Logistikzentrum, das ausschließlich mit Öko-Strom betrieben wird, sind wir dann fast vollständig autark. Aktuell sind wir auch mit einem Lkw-Hersteller bezüglich E-Fahrzeugen in Kontakt, auch da hoffen wir, dass im kommenden Jahr die Verhandlungen abgeschlossen sind und umgestellt werden kann. Wir sind uns der Verantwortung gegenüber unserer Umwelt schon bewusst. Der nächste Schritt ist dann das Umweltmanagement in ein Nachhaltigkeitsmanagement weiterzuentwickeln.
Digitalisierung, Optimierung der Abläufe – muss die Brauerei dadurch auch in Sachen Mitarbeitern wachsen?
Prof. Dr. Josef Schrädler: Selbstverständlich. Aktuell sind wir bei rund 180 Mitarbeitern, auch heuer haben wir wieder viele neue Kolleginnen und Kollegen eingestellt. Anders wären die stetig mehr werdenden Aufgaben auch nicht zu bewältigen. Ich möchte hier aber betonen, dass durch die Digitalisierung nicht automatisch Arbeitsplätze wegrationalisiert werden. Aber die Tätigkeiten in nahezu allen Bereichen werden sicherlich vielfältiger und interessanter. Denn der Mensch soll und wird bei uns immer im Mittelpunkt stehen – das macht unsere Unternehmenskultur aus – und die ist in unserer Brauerei von höchster Bedeutung.
Wo ist denn beim Thema Wachstum dann Schluss für die Brauerei – oder gibt es gar kein Ende?
Prof. Dr. Josef Schrädler: Sagen wir mal so: Platztechnisch geht nach dem neuen Lagerkeller nichts mehr (lacht). Dann sind wir hier am Weihenstephaner Berg definitiv an einer absoluten Grenze angekommen. Innerhalb der Mauern wären theoretisch noch Umbauten möglich, aber auch da muss man sehen, was Sinn ergibt und was nicht. Innerhalb der kommenden Jahre wird wohl eine neue Fassabfüllung kommen. Aber ja: Eigentlich sind jetzt mit dem Bau alle Kapazitäten ausgeschöpft.
In Sachen Mitarbeitern wird das Ende der Fahnenstange aber noch nicht erreicht sein. Wie schon gesagt, wir haben hier sehr attraktive und vor allem krisenfeste Arbeitsplätze. Verbunden mit anspruchsvoller, aber auch spannender Arbeit ist das ein sehr gutes Paket, was wir hier schnüren können.
Dann kann man als Fazit ja einen positiven Ausblick für 2023 geben, oder?
Prof. Dr. Josef Schrädler: Ich denke schon. Vorsichtig ist man nach den vergangenen Jahren natürlich geworden. Aber die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan hat gerade in den letzten Jahren gezeigt, dass sie Krisen ganz gut überstehen kann. Wenn man mal einen Blick auf die fast 1000-jährige Geschichte wirft, hat das ja fast schon Tradition. Brände, Plünderungen, Seuchen, jetzt die Pandemie und der Ukrainekrieg – wir trotzen den Widerständen (lacht). Aber ja, das Jahr 2023 wird erneut schwierig werden. Was unsere Pläne für nächstes Jahr betrifft, sind wir dennoch zuversichtlich.
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+++ Das Interview wurde uns mit allen Bildern von der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan (Autor: Anton Hirschfeld) zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++